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FACC: spannende Nische

Neben AT&S enthält mein Wikifolio seit einigen Wochen eine weiteren Nebenwert aus Österreich: FACC - Fischer Advanced Composite Components. Das Unternehmen ist seit 2014 an der Wiener Börse und hat ein herausforderndes Jahr 2016 hinter sich, der Kurs fiel von 7 bis auf 4 Euro zurück. Auf meinen Radarschirm gelangte der Wert übrigens bei einer Recherche zu Hintergründen des Fake President Betruges bei Leoni: FACC traf das gleiche Schicksal im Januar 2016 und der Verlust betrug 50 Mio. Euro!  Warum ich letztendlich positiv gestimmt bin und glaube, dass man FACC in einigen Jahren als Abkürzung für Fallen Angel Comeback Case buchstabieren wird, lest ihr im folgenden Artikel.


RÜCKBLICK

(c) Fischer Sports
(c) Fischer Sports

Josef Fischer, der Gründer der bekannten gleichnamigen Ski-Marke, war stets an neuen Technologien und Materialien interessiert, um seinen Sportgeräten Höchstleistungen zu entlocken. Nach einem Besuch bei Boeing in 1975 wächst die Überzeugung, dass   Technologien und Materialien aus der Skiproduktion auch für den Flugzeugbau interessant sein müssten - und umgekehrt. 1981 wird so der Grundstein für einen neuen Unternehmenszweig gelegt: die „Fischer Advanced Composite Components“, kurz FACC.

 

Verbundwerkstoffe aller Art und innovative Fertigungsverfahren werden nachfolgend der rote Faden der Unternehmensentwicklung. Lange bevor Kohlenstoff-Fasern (Carbon) ein Thema in anderen Branchen werden, nicht zuletzt wegen der hohen Preise und schwierigen, oft manufakturähnlichen Verarbeitung, beginnt der Knowhow-Aufbau in Ried im Innkreis.

Erste Aufträge gibt es von McDonnel Douglas, später Boeing und Airbus.

 

1989 beträgt der Umsatz nach der Ausgliederung aus der Fischer Sports Gruppe allerdings nur 6 Millionen Euro mit 102 Mitarbeitern. Hannes Androsch beteiligt sich über die Österreichische Salinen AG mit knapp 50 Prozent an der FACC. Das Unternehmen wächst organisch weiter, es folgen Werk 2, dann 3 und 4 bis 2007 und der Umsatz erreicht 252 Millionen Euro. Die Finanzkrise 2008/09 stellt auch für FACC eine Zäsur dar, denn die Eigentümer können kein weiteres Eigenkapital zur Verfügung stellen und stecken selbst in der Sanierung (Quelle). So erfolgt zunächst der Verkauf an eine Beteiligungsgesellschaft und kurze Zeit später an den neuen Ankeraktionär: der chinesische Flugzeugbauer Xi’an Aircraft (XAC) übernimmt 91.25% der Anteile (Quelle).

 

2013 und 2014 folgen ein neues Test- und Technologiezentrum, außerdem werden parallel weltweit Service-Standorte nahe der Kunden aufgebaut. Der Börsengang in 2014 gelingt erst im dritten Anlauf, per Kapitalerhöhung steigert er aber das Eigenkapital deutlich. Der Streubesitz beträgt danach knapp 45 Prozent, die chinesische Mutter AVIC hält weiter die Mehrheit mit 55 Prozent. Die Profitabilität bleibt aber in den Folgejahren unbefriedigend: 2014/15 werden leichte Verluste geschrieben (EBIT -4.5 Mio. Euro) und 2015/16 schlägt dann der Fake President Vorfall mit knapp 42 Mio. Euro Abschreibungen zu, so dass unter dem Strich erneut ein Minus steht: EBIT -23 Mio. Euro. Das Wachstum des Unternehmens hält aber an, der Umsatz steigt auf 587,5 Mio. Euro und man beschäftigt mittlerweile über 3000 Mitarbeiter.

FACC - Umsatz- und Mitarbeiterentwicklung der letzten 18 Jahre, Quelle: Unternehmens-Webseite
FACC - Umsatz- und Mitarbeiterentwicklung der letzten 18 Jahre, Quelle: Unternehmens-Webseite

STATUS QUO

 

Bevor wir zum Ausblick kommen und die fundamentale Bewertung der Aktie unter die Lupe nehmen, zunächst ein Blick auf die Geschäftsgebiete, Wettbewerbssituation und die Branchen-Aussichten.

 

Die FACC AG unterteilt ihr Geschäft in drei wesentliche Bereiche:

  • Aerostructures (Strukturbauteile und -systeme an Rumpf und Leitwerk)
  • Engines & Nacelles (Triebwerksverkleidungen und -bauteile)
  • Interiors (komplette Innenausstattungen von zivilen Verkehrsflugzeugen, Business Jets, Hubschraubern)

Hinzu kommt der Zentralbereich Customer Engineering, Product und Onsite Support, wo auch die regionalen Entwicklungs- und Servicetöchter in Österreich, China, USA, Kanada usw. angesiedelt sind.

 

In der Division Aerostructures werden unter anderem Flügelkomponenten, Steuerflächen und Verkleidungen hergestellt. Das klingt zunächst nicht sehr spannend, aber Leichtbau und Treibstoff-Einsparungen sind sehr wichtig für jeden Flugzeughersteller. FACC übernimmt die gesamte Lieferkette vom Design bis zur Produktion und Wartung. Die sogenannten Winglets (siehe linke Abbildung) als ein konkretes Produktbeispiel haben in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Siegeszug angetreten und werden sogar bei existierenden Flugzeugen nachgerüstet.

Quelle: FACC Unternehmenswebseite

Kunden sind alle wesentlichen Hersteller (Airbus, Boeing, Bombardier, COMAC, Embraer, Sukhoi usw.) und man ist in den erfolgreichen Flugzeugfamilien wie zum Beispiel in der A320 Familie, A350 XWB, A380 oder Boeing 747, 757, 767 und 787 vertreten. Wer es genau wissen will: die oben verlinkte Unternehmensseite stellt das sehr kompakt und informativ dar.


 

In der Division Engines & Nacelles geht es um Komponenten für die Flugzeugmotoren und deren Gehäuse. Auch hier ist Leichtbau und die Verwendung von Verbundwerkstoffen ein Thema und es zeigt sich, dass man neben der Kompetenz mit Kunstoffen ebenfalls bei komplizierten Metallteilen über Knowhow verfügt. Kunden sind daher vor allem die Triebwerks-hersteller wie Pratt&Whitney, Rolls-Royce oder United Technologies.

 

Quelle: FACC Unternehmenswebseite


 

Last but not least stellt die Division Interiors Kabinenausstattungen her und zwar sowohl Lösungen für Passagier- und Frachtflugzeuge, als auch solche für Business Jets und Helikopter. Für den A350 XWB und die A380 werden zum Beispiel die Gepäckfächer produziert, für die chinesischen Hersteller (XAC, COMAC) übernimmt man die gesamte Passagierkabine und Verkleidungen. Neben den Flugzeugherstellern arbeitet man darüber hinaus nun auch direkt mit bestimmten Fluggesellschaften zusammen, zum Beispiel Lufthansa Technik oder JetBlue. Dies eröffnet den Zugang zum sogenannten MRO-Business (Maintenance, Repair, Operations) in dem besonders gute Margen darstellbar sein sollten. Für die A321 wird derzeit eine neue Generation der Passagierkabine ausgerollt, die Boeing B737 erhält einen Retrofit der Winglets und für die amerikanische Gesellschaft JetBlue erfolgt ein Retrofit der Kabine.

 

Quelle: FACC Unternehmenswebseite

 

Insgesamt ist man damit sehr breit aufgestellt und sowohl innen als auch außen im Flugzeug vertreten, eben dort wo es auf Leichtbau zunehmend ankommt. Die Flugzeugindustrie sieht in den kommenden Jahren einen starken Bedarf an sogenannten Single Aisle Flugzeugen für die Kurz- und Mittelstrecke, die bestehende Flotte verdoppelt sich hier nahezu. Daher laufen die Geschäfte von Airbus, Boeing oder MTU Aero Engines derzeit gut und die Auftragslage ist sehr gut. Hinzu kommt der Trend, dass in der  neuesten Flugzeug-Generation (A350, B787) bereits 50 Prozent der strukturellen Komponenten aus Verbund-Werkstoffen bestehen, eine drastische Zunahme im Vergleich zum A380 (28 Prozent) oder den weniger als 5 Prozent in der B737 (Quelle aller Angaben: Unternehmenspräsentation). Man könnte also mit Fug und Recht in Anlehnung an Kostolany sagen: haben sie schon einmal über Composite-Aktien nachgedacht, denn die Zeit von Aluminium geht zu Ende ?

 

Audi-Werbung 1998, Kostolany, Quelle: via Youtube

 

Diese Spezialisierung auf Composites ist auch das wesentliche Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens. Andere reinrassige börsennotierte Luftfahrtzulieferer sind in anderen Nischen aktiv: beispielweise der MDAX-Wert MTU Aero Engines aus Deutschland (Triebwerke und Wartung), Zodiac Aerospace aus Frankreich (In-Flight Entertainment, Küchen-, Toilettenmodule bzw. -systeme sowie Flugzeugsitze) oder B/E Aerospace aus USA (Interiors, Flugzeugsitze).

 

Natürlich gibt es auch größere Konzerne, wie zum Beispiel Honeywell oder United Technologies, die bedeutende Umsätze mit der Luftfahrtindustrie machen - allerdings oftmals viel mehr Geschäft mit anderen Kunden und Produkten. Außerdem diskutiert man auch in der Automobil-Industrie zunehmend über Composite-Werkstoffe zur Gewichtsreduktion und erste Modelle setzen den teuren Werkstoff ein (Beispiel: BMW i3). Ähnlich wie in der Flugzeugindustrie benötigt man ausgewiesenes Material-Knowhow, um Qualität bei niedrigen Ausschuss-Kosten zu erreichen.

 


ZWISCHENFAZIT

 

Die FACC ist in einer noch über Jahre wachsenden Branche unterwegs und spezialisiert auf Verbundwerkstoffe und deren Einsatz im Flugzeug. Neben dem Erstausrüstungsgeschäft stößt man zunehmend in den Bereich Wartung, Reparatur und Retrofit vor. Man ist bereits weltweit vertreten und hat mit unterschiedlichen Produkten und Komponenten Lieferbeziehungen zu allen Playern der Luftfahrtindustrie aufgebaut. Der Zugang zum chinesischen Markt ist durch den Ankeraktionär sichergestellt.

 

Man profitiert einerseits vom Trend zum Leichtbau allgemein (höherer Anteil im Flugzeug), andererseits vom Wettbewerb der Unternehmen um den wirtschaftlichen Betrieb (Treibstoff-Einsparungen, höherer Komfort, geringerer Lärm). Gleichzeitig steigt das Volumen auszuliefernder Flugzeuge, da von steigenden Stückzahlen für Kurz- und Mittelstrecken-Jets mit 1 Gang ausgegangen wird. Während der A380 in 2016 mit 24 Flugzeugen gefertigt wurde, plant man für den A320neo zum Beispiel mit 60 Flugzeugen pro Monat. Diese Hochvolumen-Fertigung wird auch FACC und die gesamte Zuliefererindustrie "auf den Kopf" stellen, sprich in die Ära der hochautomatisierten Fertigung im Reinraum führen.

 

In Summe ergibt meine Analyse, dass wir es nicht mit einem langweiligen Mauerblümchen zu tun haben, sondern mit einem spannenden Fallen Angel Comeback Case. Im zweiten Teil wird es um die fundamentale Bewertung der Aktie gehen, die letzten Finanzkennzahlen und den Fake President Vorfall aus 2016 sowie um den Ausblick, was möglich ist, wenn FACC seine Profitabilitätsprobleme in den Griff bekommt.

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Malte (Montag, 09 Januar 2017 21:18)

    Wow, hatte noch nie von FACC gehört...freue mich schon sehr auf den zweiten Teil der Analyse!!
    Gruß

  • #2

    Mario (Dienstag, 10 Januar 2017 12:17)

    Spannendes Unternehmen, von dem auch ich noch nichts gehört hatte.

    Ich komme aus dem Flugzeugleasing und beschäftige mich auch in meinem blog viel mit Leasinggesellschaften. Vor dem Hintergrund weiß ich, dass in der Branche disktutiert wird, ob der aktuelle positive Flugzeugzyklus dem Ende entgegen geht. Es wird auch diskutiert, ob die von Airbus und Boeing geplanten Produktionssteigerungen wirklich nachhaltig möglich sind. Bei den Wachstumsaussichten für FACC im Flugzeugbereich würde ich deshalb etwas Vorsicht walten lassen. Ansonsten könnte das zum richtigen Preis wirklich ein sehr interessantes Unternehmen sein.

  • #3

    Covacoro (Dienstag, 10 Januar 2017 16:43)

    Vielen Dank für den Kommentar, Mario.
    Die Projektionen von Airbus/Boeing bis 2034 erachte ich auch als zu optimistisch. Im zweiten Artikel werde ich daher vorsichtig die Entwicklung für die nächsten 1-2 Jahre abschätzen, die v.a. durch A350XWB und A320neo Ramp gekennzeichnet sein werden.
    Deinen Blog besuche ich übrigens regelmäßig.

  • #4

    Matthias (Donnerstag, 12 Januar 2017 11:45)

    Als Österreicher habe ich FACC zwar gekannt ABER seit dem Börsengang hat kein Budget gehalten, bei jedem Quartalsbericht gab es eine negative Überraschung und als i Tüpfelchen kam auch noch der 50Mio CEO Fraud dazu.
    Ich frage mich auch, wieso es trotz des chin. Mehrheitsaktionärs nur Fertigungskapazitäten in Österreich gibt.