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The big picture: 2017

Bevor ich wie jedes Jahr einen detaillierten Blick auf mein Wikifolio und die darin enthaltenen Einzelwerte für 2018 werfe, möchte ich heute die Entwicklung von Märkten und Wirtschaft in 2017 zusammenfassen.

 

Das "big picture" in komprimierter, tabellarischer Form und mit wenigen ergänzenden Charts.   

 


Ein aussergewöhnliches BÖRSENJAHR

 

Das Jahr 2017 war in viellerlei Hinsicht besonders. Die amerikanischen Börsen als Leitwölfe markierten zahlreiche neue Hochs, beim Dow Jones waren es ingesamt 70 (!) neue Höchstkurse. Weder der Dow Jones noch der S&P500 waren in lokaler Währung auf Monatssicht in negativem Terrain. Von der sehr guten Entwicklung konnten allerdings europäische Investoren nur gedämpft profitieren, wenn keine EUR/USD Kursabsicherung genutzt wurde, da der Euro aufwertete. Der DAX legte um 12.5% zu, die deutschen Staatsanleihen (REXP) hatten seit langem ein negatives Jahr mit -1%.

 

Außerdem war und ist die geringe Schwankungsbreite der Kurse (Volatilität) ungewöhnlich. So sollte man berücksichtigen, dass typische Werte um die 20% liegen, beim DAX der vergangenen 15 Jahre konnte ich Werte zwischen 16 und 24% messen. In 2017 waren es gerade einmal knapp 11%!

 

Index

Performance

Volatilität

DAX (€)

12.5%

10.6%

REXP (€)

-1.0%

2.1%

S&P500 ($)

18.7%

6.6%

Dow Jones ($)

24.7%

6.6%

Nasdaq ($)

30.0%

10.4%

Nikkei (Y)

19.3%

12.4%

MSCI World ($)

18.8%

5.9%

MSCI Em.Markets ($)

34.9%

9.9%

EUR/USD

14.0%

-

ETF MSCI World (€)

7.6%

9.2%

ETF MSCI EmMa (€)

20.8%

12.7%

 

Auch der Nikkei und die Emerging Markets können eine sehr gute Wertentwicklung vorweisen und gleichzeitig gab es nur wenige Börsen mit roten Minuszeichen (zum Beispiel Venezuela und Pakistan).

 

Gering fielen die Korrekturen oder zeitweisen Drawdowns aus, auch wenn in den Medien zahlreiche politische und wirtschaftliche Risiken heraufbeschworen und diskutiert wurden. Für den S&P500 zeigt das folgende Chart von J.P. Morgan deutlich, dass 2017 mit einem intra-year drawdown von 3% außergewöhnlich war. Ja, eigentlich nur von 1995 getoppt wird. Die Volatilitäts- und Drawdown-Zahlen kann man in Summe eigentlich nur so interpretieren, als das die Risiken momentan unterschätzt werden.

 

S&P500 Jahresperformance und Drawdowns seit 1980, Quelle: J.P.Morgan
S&P500 Jahresperformance und Drawdowns seit 1980, Quelle: J.P.Morgan
S&P500 Kursindex: Rallye seit 2009 von knapp 300%, Quelle: J.P.Morgan
S&P500 Kursindex: Rallye seit 2009 von knapp 300%, Quelle: J.P.Morgan

PERFORMANCE und RISIKO im BLICK

 

Es kann daher sicherlich nicht schaden, sich seelisch auf stärker schwankende Kurse einzustellen. Neben dem Angriff zur Erzielung von Rendite wird in 2018 möglicherweise entscheidend sein, auf die Verteidigung, also das Risiko-Management zu achten.

 

Mancher tut das mit einer hohen Cash-Quote, andere schwören auf maximale Diversifikation. Passive Anleger sind der Meinung, dass jede aktive Handlung oder angepasste Asset Allocation Markt-Timing darstellt und zum Scheitern verurteilt ist. Chart-Techniker sind vom genauen Gegenteil überzeugt, wenn sich die Markttechnik verschlechtert, handeln sie.

 

Investoren, die Fundamental- und Sentiment-Daten berücksichtigen, suchen eine goldene Mitte. Wenn diese Daten Gefahr signalisieren, sind sie bereit aus dem Markt auszusteigen und teure Assetklassen zu meiden. Ich denke mittlerweile, dass jede dieser Strategien ihre Berechtigung hat und lehne sie nicht mehr rundheraus ab. Ich habe keine Glaskugel und weiß es nicht besser. Aber egal wofür man sich entscheidet: Konsequenz und Durchhaltevermögen sind ungleich wichtiger.

 

Ich habe in 2017 für mein Portfolio und mein Wikifolio sowohl in spannende Wachstumswerte investiert (Beispiele: FACC, AT&S) als auch in langweilige Substanzwerte (Beispiele: Capital Stage, Deutsche Euroshop). Meine Cashquote lag im Mittel bei niedrigen 5% und trug zur hohen Performance des Portfolios entscheidend bei. Für mich überraschend ergaben sich im 1.Quartal Kaufchancen bei Unternehmensanleihen. Diese konnte ich nutzen und erneut ein zweistelliges Plus realisieren.

 

Zu den Aktien muss ich nicht viel sagen: wer im Markt dabei war und in Nebenwerte investierte oder diese beimischte, konnte zweistellig verdienen. Wer hier auf Covacoro.de mitliest, weiß außerdem, wie ich dabei vorgehe. 2017 war ein Ausnahmejahr, auch im Vergleich zu verschiedenen Benchmarks. Ich nutze seit langem ein 70%Dax/30%RexP ETF-Portfolio (Abkürzung D70R30 in der folgenden Tabelle), welches jährlich rebalanciert wird.

 

Erst wenn Volatilität und Drawdown meines Portfolios (also das Risiko !) gematcht oder niedriger sind als diese Benchmark, bin ich zufrieden. Die Zahlen für 2017 sehen wie folgt aus:

 

Wert

Performance

Volatilität

Drawdown

Portfolio

24.5%

8.0%

3.8%

davon

 

Anleihen (~25%)

13.3%

9.7%

4.1%

Aktien (~70%)

34.2%

10.1%

4.4%

Cash (~5%)

0.2%

-

-

zum Vergleich

 

D70R30-Benchmark

7.7%

7.5%

5.2%

Portfolio zur BM

+16.8%

-0.5%

+1.4%

sowie

 

Covacoro-Wikifolio

21.1%

12.9%

9.9%

DAX-Index

12.5%

10.6%

7.3%

Wikifolio zur BM

+8.6%

-2.3%

-2.6%

 

 


KONJUNKTURELLE und FISKALISCHE TRENDWENDE ?

 

Die mittelfristigen Börsenkurse und -tendenz werden von zwei Faktoren entscheidend beeinflußt: der Liquiditätsversorgung und den konjunkturellen Rahmenbedingungen. Daher will ich abschließend kurz rekapitulieren, wie es um beide Dinge steht. Denn in 2017 kann man so etwas wie Trendwenden oder zumindest Beschleunigung von Tendenzen feststellen.

 

Die Notenbanken haben weltweit weiter eine akkomodierende Politik gefahren, auch wenn in USA insgesamt dreimal der Leitzins leicht erhöht wurde. Die EZB und Bank of Japan behielten ihre Nullzins-Strategie unverändert bei. Die EZB hat aber angekündigt, die Anleihenkäufe ab 2018 zu reduzieren. Insgesamt war 2017 das Jahr der Taten in den USA und das Jahr der Ankündigungen in Europa.

 

FED Funds Rate seit 2000, Projektion ab 2018, Quelle: J.P.Morgan
FED Funds Rate seit 2000, Projektion ab 2018, Quelle: J.P.Morgan

Die wirtschaftliche Entwicklung sendete in 2017 positive Signale und man kann trefflich darüber streiten, ob dies in den Kursen bereits vollständig enthalten ist. In den USA stiegen die BIP-Wachstumszahlen seit Sommer. Für 2018 prognostizieren verschiedene Banken ein Wachstum um 2,5% bei gleichzeitig sinkender Arbeitslosigkeit und immer noch niedriger Inflation.


Das Wachstum in China hat sich verlangsamt, ohne dass es zu einer harten Landung oder einem Crash auf dem Immobilienmarkt kam. Außerdem wurde die Kapitalflucht ins Ausland mit Beschränkungen und Kontrollen gestoppt und die Frühindikatoren, wie der Verbrauch an Energie und Rohstoffe sehen positiv aus.


Im Euroraum ist ein recht kräftiger Aufschwung in Gang gekommen, der so von den wenigsten Prognostikern erwartet wurde. Sowohl Spanien als auch Italien sind aus der Versenkung wieder aufgetaucht - trotz der vielfältigen Probleme in diesen Ländern. So könnte es der EZB tatsächlich gelingen, das quantitative Easing noch lange weiterzuführen.

 

Globaler Blick auf die Einkaufsmanager-Indizes: Seit 2017 im dunkelgrünen Bereich, Quelle: J.P.Morgan
Globaler Blick auf die Einkaufsmanager-Indizes: Seit 2017 im dunkelgrünen Bereich, Quelle: J.P.Morgan
Blick auf den Euroraum: Einkaufsmanager-Indizes steigen in 2017 substanziell an, Quelle: Commerzbank
Blick auf den Euroraum: Einkaufsmanager-Indizes steigen in 2017 substanziell an, Quelle: Commerzbank

 

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Frühindikatoren wie die Einkaufsmanager-Indizes signalisierten in 2017 also Rückenwind für die Unternehmen. Die abgelieferten Quartalszahlen zeigten überwiegend wachsende Umsätze und Gewinne. Die gute Konjunktur einerseits und die fortgesetzt lockere Geldpolitik andererseits könnten 2018 der Treibstoff für steigende Kurse sein. Zum Abschluss die Prognosen der Commerzbank für die Entwicklung von BIP und Inflation in 2018.

 

BIP-Wachstum und Verbraucherpreis-Inflation 2017, 2018e, 2019e, Quelle: Commerzbank
BIP-Wachstum und Verbraucherpreis-Inflation 2017, 2018e, 2019e, Quelle: Commerzbank

 

Wenn man diesen Zahlenkranz sieht, könnte man schlussfolgern, dass nun der finanzielle Stimulus der Zentralbanken endlich in der Realwirtschaft ankommt. Das die Weltwirtschaft eine Trendwende zu wieder höherem Wachstum hinbekommt, obwohl viele nach der Wahl Trumps das Gegenteil prognostizierten: Protektionismus, sinkender Handel etc.

 

Ich kann diese Interpretation nicht widerlegen, und bin noch etwas skeptisch und vorsichtig.

So könnte man zum Beispiel einwenden, dass die Bewertung der Märkte bereits sehr teuer ist und die Dauer des Kursaufschwungs die Wahrscheinlichkeit für Rückschläge massiv erhöht. Kann alles sein - schlauer sind wir vermutlich Ende des laufenden Jahres!

 

Ich wünsche allen Lesern meines Blogs das nötige Quentchen Glück und die Kraft, die nötigen Anlage-Entscheidungen zu treffen, wenn es geboten ist. Sicher gab es schon Ausgangslagen, die leichter zu handhaben waren, als 2018. Aber das wird schon: keep calm and carry on!

 

(c) 2018 Covacoro


 

“Nur diejenigen, die sich trauen,

in großem Stil zu scheitern,

können auch in großem Stil Erfolg haben.”

 

Robert F. Kennedy (1925 -1968)

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Prof (Samstag, 06 Januar 2018 12:54)

    Gratulation zur hervorragenden Performance Deines Wikifolios. Auch das investierte Kapital steigt kontinuierlich an.
    Ja das sieht alles (fast) zu schön aus, um wahr zu sein. Überall herrscht eitel Sonnenschein. Einen Teil der Höhenangst könnte man aber relativieren, wenn der S&P 500 Chart im logarithmischen Maßstab daherkäme. Dann sieht man, dass der Anstiegswinkel seit 2009 sogar etwas geringer ist, als in den Perioden ab 1997 und 2003. Allerdings ist die Dauer des Anstieges dieses Mal mit 9 Jahren extrem lang. Und diesen unnatürlichen Anstieg dürften die Notenbanken verzapft haben. Man stelle sich nur einmal eine Baisse vor, die über die halbe Zeit geht, also knapp fünf Jahre. Heulen und Zähneklappern!

  • #2

    EasyWISA (Sonntag, 07 Januar 2018 12:07)

    Hallo Hans-Jürgen,

    schöne Zusammenfassung des interessanten Börsenjahres 2017. Bin gespannt, wie es 2018 weitergeht (u.a. mit weiteren moderaten Zinserhöhungen in den USA, den Auswirkungen der Steuerreform, Brexit-Fortschritte, Große Koalition/Neuwahlen etc.).

    Bei mir persönlich war es in EUR gerechnet im Vergleich so la la, da ich ein US-lastiges Portfolio habe und meine europäischen Werte (u.a. habe ich aus Solidarität noch K+S) zusätzlich auch nicht so toll liefen.

    Gruß
    Markus