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Rückspiegel 12/18

Ist es Zeit dem Markt den Rücken zu kehren? (Bild: Kirchentür, Quelle: pixabay.com)

Frostig war die erste Reaktion der EU auf den Haushaltsentwurf Italiens, die Medien waren voll der Kritik.

 

Nun gibt es eine Einigung: Mit 2% statt 2.4% Staatsdefizit ist alles bestens.

Und die Kommentare fallen sparsam aus und man fragt sich, ob der Plan der italienischen Regierung vielleicht doch nicht so sinnlos war und ist.

 

Im letzten Rückspiegel-Artikel für 2018 trage ich daher zusammen, welche Veröffentlichungen beim Verständnis der Situation hilfreich waren. Denn letztendlich wird die wirtschaftliche Entwicklung des Dreigestirns Deutschland, Frankreich und Italien in den kommenden Jahren die EU dominieren und den europäischen Börsen die Richtung weisen.

 


ITALIENS WIRTSCHAFT MUSS WIEDER WACHSEN

 

Mit diesem Titel greift Dieter Wermuth in der Zeit die Diskussion Ende Oktober auf und rückt manch aberwitzige Darstellung gerade. Er stellt klar: die Aufregung über den Haushalts-entwurf ist übertrieben. Das Land kann seine Schulden bedienen, die überwiegend von Inländern gehalten werden.

 

Seit 2013 erzielte Italien einen Leistungsbilanzüberschuss und hat insgesamt eine harte Sparpolitik gefahren. Das ging zu Lasten des BIP-Wachstums pro Kopf, der Löhne und der Arbeitslosenquote. Kurzfristig sind höhere Staatsausgaben in Italien daher die Medizin, die ein Arzt verschreiben würde. Irgendjemand muss die Nachfrage wieder stimulieren.

 

Insofern ist der Artikel auch nach der Einigung ein Must-Read:

 

Italiens Wirtschaft muss wieder wachsen

 


Den Wirt ohne die Rechnung gemacht

 

Aber Moment - wir erinnern uns an Griechenlands Varoufakis - und die vielen Kritiker einer antizyklischen Wachstumspolitik durch den Staat. Gilt das nicht auch für Italien?

 

Und richtig: bereits kurz nach der Bildung der Regierung im Mai nahm zum Beispiel Ernst Hillebrand im IPG-Journal zum Kolationsvertrag zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega Stellung:

 

Den Wirt ohne die Rechnung gemacht

 

Die wichtigsten Punkte: Ja, im Kern geht es um Wachstumsförderung und die Vereinfachung des Steuerrechts etc. könnte kleinen Unternehmen nutzen. Und die sozialpolitischen Wünsche sind denen in Polen durchgesetzten Änderungen vor einiger Zeit gar nicht so unähnlich. Aber die Kritiker rechnen vor, dass es dann ein Haushaltsdefizit von 50 Mrd. Euro geben würde.

 

Das bedeutet also Neuverschuldung und im EU-Kontext ist das ein schmutziges Wort. Aber rechnen wir nach: 50 Mrd. Euro bei bestehenden Schulden von etwa 2300 Mrd. Euro sind eine Neuaufnahme von 2.1% Prozent.

 

Gar nicht so dumm die Italiener, einen Entwurf mit 2.4% im Verhältnis zum BIP einzureichen, oder? Es gibt da ganz andere Länder, die ordentlich zulangen: USA 5.1% des BIP.

 


NÜCHTERN BETRACHTET

 

Tja und was machen die Finanzmärkte daraus? Sie fordern höhere Zinsen für italienische Staatsanleihen und preisen das Risiko ein, so gut sie es können. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist gut so und tausendmal wirksamer als jedes politsche Gerede in Brüssel, neunmalkluge Bemerkungen aus Deutschland oder Frankreich, die selbst die Stabilitäts-kriterien des Maastrichtvertrages schon verletzt haben oder noch verletzen. 

 

Italien wusste, dass eine wirksame Sanktionierung seiner Politik unmöglich war und dass es sich in einer starken Verhandlungsposition befand. Und die EU wäre gut beraten gewesen "konstruktiv auf die italienische Position einzugehen und dem Land bei seinem größten Problem zu helfen: zehn Jahre ohne Wirtschaftswachstum" schreibt Jens Südekum im Blog Ökonomenstimme.

 

Er plädiert dafür, die Gelder in die richtigen Kanäle zu lenken und Sorge zu tragen, dass "tatsächlich Wachstumsimpulse gesetzt werden. Wo die richtige Stelle ist – im Bildungs-system, bei der Infrastruktur, beim Zugang zu Risikokapital für junge Unternehmen – muss letztlich die Regierung Conte entscheiden." Und dem ist nichts hinzuzufügen.

 


FAZIT

 

Italiens Regierung musste etwas tun - jeder der das Land in den vergangenen Jahren besucht hat, wird dem zustimmen. Dass ausgerechnet populistische Politiker aus dem Norden und Süden sich dazu zusammentun, mutet grotesk an, die Erfolgsaussichten aber von vorneherein kleinzureden ist falsch.

 

Je mehr ich zum Thema lese, desto mehr entweicht aus den lautesten Schlagzeilen und der ganzen Empörung die Luft. Insofern geben wir den Italienern jetzt einfach mal eine Chance, etwas neu und besser zu machen. Und wir erlauben den Finanzmärkten, ihren Job zu machen, was die Preise für Staatsanleihen angeht. Man sollte weder eine EU- noch eine Eurokrise herbeireden und schon gar nicht ein Land und seine Unternehmen generell abschreiben.

 

 

Covacoro

(c) 2018

 

 


 

 

Ich wünsche meinen Lesern eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

 

Der nächste Blogartikel erscheint Mitte Januar 2019.


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