Aktien? Langfristig!? Steuerfrei?!?

Heute möchte ich meine Leser auf die am 30.06.2018 gestartete Online-Petition aufmerksam machen, die für eine Steuerfreiheit auf Aktiengewinne nach mindestens 5-jähriger Haltedauer eintritt.

 

Auch wenn ihre Erfolgschancen gering sind: Hier sollte man sich beteiligen. Durch seine Stimme kann man dafür sorgen, dass das Thema öffentlich diskutiert wird.

 

Nur wenn das geschieht, kann sich vielleicht auch in Deutschland die Erkenntnis durchsetzen, dass die langfristige Beteiligung an Unternehmen über die Börse im Sinne von Staat, Gesellschaft, Unternehmen und Aktionären selbst ist, also allen nutzt. Daher wäre eine Förderung angezeigt, statt Aktionäre nur als Raffzähne auf der Jagd nach Dividenden und kurzfristigen Kursgewinnen darzustellen.

 


DIE PETITION

 

Die Petition 81977 wurde am 30.06.2018 erstellt und kann vom 24.07. bis 21.08.2018 mit-gezeichnet werden. Dazu muss man sich als Nutzer des Portals registrieren und mit seiner Unterschrift das Anliegen unterstützen - wenige Klicks genügen.

 

Das Petitionsportal wird vom Deutschen Bundestag betrieben, der damit ein Grundrecht nach Artikel 17 Grundgesetz sicherstellt:

 

„Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“

Wenn die Petition innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer gewinnen kann, erreicht sie das so genannte Quorum. Der Petent hat dann die Chance, sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu diskutieren. Stand 11.08.2018 registriert die Internetseite aber erst ungefähr  2500 Mitzeichner. Und das trotz der zuletzt wieder auf über 10 Millionen gestiegenen Zahl von direkten und indirekten Aktienbesitzern in Deutschland.
 

Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts, Stand 19.02.2018, Quelle: DAI
Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts, Stand 19.02.2018, Quelle: DAI

 

Ich frage mich, wie eine so niedrige Quote von 0,025% zustande kommt?

Ist das Ansinnen unsinnig oder falsch? Wird darüber nicht informiert und ist die Petition unbekannt? Oder ist die Registrierung eine zu große Hürde? Während ich zu den letzten beiden Fragen nur spekulieren kann, möchte ich zur ersten Frage Stellung beziehen.

 

 


langfristiges AKTIENSparen FÖRDERN?

 

Bis zur Einführung der Abgeltungssteuer konnten deutsche Aktiensparer von der Regelung profitieren, dass Kapitalgewinne nach 1-jähriger Haltedauer steuerfrei waren. Für Dividenden und Zinsen galt das Halbeinkünfteverfahren und der Steuersatz betrug 20 bzw. 30 Prozent.

 

Als Begründung für diese Regelungen wurde unter anderem angeführt, dass die Wertpapiere aus bereits besteuertem Einkommen erworben und die Ausschüttungen der Unternehmen ebenfalls bereits besteuert wurden. Dieser Gedanke der Vermeidung doppelter Besteuerung hatte aber bald ausgedient. Außerdem wollte man die kurzfristige Spekulation - unter 1 Jahr Haltedauer - unattraktiver machen, ohne das langfristige Sparen zu benachteiligen.

 

Ab 2009 wurde ein einheitlicher Steuersatz in Höhe von 25 Prozent eingeführt und die Haltedauer spielte keine Rolle mehr. "Besser 25 Prozent auf x statt 42 Prozent auf nix" lautete das Credo und die guten Gedanken der alten Regelung gingen über Bord. In Deutschland gibt es auch keine signifikanten Freibeträge, sieht man vom Sparerfreibetrag in Höhe von 801 Euro ab. Sobald das Depot zum Beispiel der Altersvorsorge dient, werden allein die Dividenden-Zahlungen diesen Betrag weit übersteigen.

 

Die Diskrepanz in der Besteuerung von Aktiensparern wird besonders deutlich, wenn man sich die Regelungen in Großbritannien und USA anschaut. Im United Kingdom kann man in sogenannten ISAs (Individual Savings Accounts) mittlerweile jährlich 20000 Pfund einzahlen und alle Einkünfte daraus sind und bleiben steuerfrei. Ob Cash, Aktien, Fonds etc. verwendet werden, ist dabei unerheblich und für bestimmte Accounts (Lifetime ISA) gibt es einen 25%igen Bonus auf jährliche Einzahlungen bis 4000 Pfund und Entnahme erst ab 60 Jahren.

 

Auf normale Depots und Wertpapier-Einkünfte fällt eine Capital Gains Tax an, allerdings erst wenn ein substantieller Freibetrag von 11300 Pfund überschritten wird (Quelle). Auch das Ansparen für die erste Immobilie oder ein selbsteingezahlter Pension Plan (SIPP) stehen dem britischen Sparer offen und lassen deutsche Sparer sprachlos zurück, da so jährlich ein sehr gutes Einkommen von bis zu 60000 Pfund "steuerfrei" verbleibt (Quelle).

 

In den USA gibt es ähnliche Vehikel, die auf so schöne Namen wie 401k, IRA, Roth Account etc. hören und im Kern erlauben, ohne Steuerpflicht anzusparen. Erst bei der Auszahlung kommen die jeweiligen Regeln und Besteuerungen zum Zuge. Auch hier hat der Gesetzgeber bestimmte Grenzen vorgegeben, wie hohe Einzahlungen jährlich möglich sind und damit effektiv Freibeträge bestimmt. Folgt man der Darstellung auf Wikipedia (Link) sind diese Beträge substantiell und erlauben das Ansparen von 6- bis 7-stelligen Vermögen.

 

Für alle normalen Depots unterscheidet man nach short term (kurzfristiger) and long term (langfristiger) Haltedauer, wobei momentan die Grenze bei 1 Jahr Haltedauer gezogen wird. Dies war aber nicht immer so und variierte zwischen 6 Monaten und 10 Jahren in der Vergangenheit. Als roter Faden aber galt, dass "long term" Kursgewinne stets niedriger besteuert wurden und sich die Höhe der Steuerquote daran orientierte, wie hoch das Gesamteinkommen des Steuerzahlers war. Auch hier sei auf den Wikipedia-Artikel verwiesen, wenn man es genau wissen will (Link).  

 

Sicher verwundert es nun niemanden mehr, warum Aktien und Investmentfonds in diesen Ländern eine große Rolle bei der Altersvorsorge spielen und in Deutschland nicht. Gleichzeitig waren die System-Anpassungen von Regierung zu Regierung meist von geringfügiger Natur oder bauten die Steuervorteile weiter aus, was man von den Änderungen in Deutschand gerade nicht behaupten kann.

 

Die Petition 81977 macht nun den Vorschlag, dass ab einer Haltedauer von 5 Jahren Gewinne aus Aktien steuerfrei realisiert werden können. Damit würde auch in Deutschland das Element der Haltedauer wieder Einzug in die Steuergesetzgebung halten. Wollte ein Investmentfonds (egal ob aktiv oder passiv) dem Rechnung tragen, müßte er seine Aktien natürlich ebenfalls langfristig halten. Das würde die Transaktionskosten senken und wie zahlreiche Studien zeigen, nicht unbedingt schädlich für die Performance der Fonds sein.

 

Diese Diskusson würde meiner Meinung nach der deutschen Fondsbranche gut tun, da sie im Sinne des Sparers ist! Sicher wäre es auch besser, wenn man die Regelung nicht auf Aktien begrenzen würde, sondern andere Wertpapiere oder Depots einbeziehen würde. Last but not least, finde ich den britischen Weg interessant (Freibeträge für Sparbeträge und Accounts). Er würde die Bürokratie deutlich reduzieren, weil je nach Depot die Regeln einfach sind und eine Abgeltungssteuer auf "normale" Depots einfach beibehalten werden könnte. 

 


FAZIT

 

Wenn derzeit über Börse, Aktien und Kapitalgewinne und -einkünfte öffentlich diskutiert wird, dann eher negativ und mit dem Blickwinkel, dass eine höhere Besteuerung die Staatskassen noch stärker füllen könnte und angeblich gerechter wäre. Das ist kurzsichtig gedacht.

Nur eine hohe Produktivität sichert Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Dies erfordert Investitionen von den Unternehmen und dass Eigenkapital zur Verfügung steht.

 

Will man die eigenen Unternehmen im Inland langfristig stärken und gleichzeitig erreichen, dass auch die Menschen ihre Altersvorsorge kostengünstig selbst in die Hand nehmen, darf man den Kapitalmarkt nicht verteufeln, sondern muss das Sparen mit Wertpapieren fördern.

 

Es wäre in Deutschland höchste Zeit, die Steuergesetze um Anreize für langfristiges Sparen zu ergänzen. Die Petition 81977 ist sicher kein perfekter Vorschlag. Trotzdem ist sie es wert, unterstützt zu werden: 10 Millionen Aktiensparer sollten ein Zeichen setzen!

 

 

(c) 2018 Covacoro

 


Eine Bitte habe ich noch:

 

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Kommentare: 9
  • #1

    Prof (Montag, 13 August 2018 11:01)

    Dein Einsatz ehrt Dich und ist meiner Meinung nach voll gerechtfertigt. Allerdings haben die Kleinaktionäre in Deutschland keine Lobby und es gibt keine Aktienkultur wie in den USA. Wer Aktien besitzt wird wohl von der Mehrheit neidisch beäugt. Das Geld wird lieber in schwache Fonds oder Riesteranlagen gesteckt, auch wenn hier die Altersarmut oft vorprogrammiert ist.
    Am Stand der Petition sieht man, dass sich hier leider auch keine 50.000 Zeichner finden werden. Und als nächstes kommt die Transaktionssteuer. Einfach nur traurig...

  • #2

    Prof (Montag, 13 August 2018 13:20)

    Die Petition wird leider nicht einmal das nötige Quorum erreichen und das bei 10.000.000 betroffenen Fondssparern. Ich habe trotzdem aus prinzipiellen Gründen mitgezeichnet.

  • #3

    Daniel (Dienstag, 14 August 2018 09:17)

    Die Petition geht am kleinen Privatanleger (meist Giro Sparer) völlig vorbei und wird wahrscheinlich in der deutschen Bevölkerung keinerlei Rückhalt finden, da alles was mit Börse zu tun hat als Zockerei der Reichen gilt. Das Pferd wurde auch völlig falsch aufgezogen. Statt dieses bürokratische Monster der Erfassung von Haltedauern etc. wieder einzuführen, hätte es gereicht den Sparerpauschalbetrag von 801€ auf z.B. 5000€ anzuheben. Dann wäre die Anlageform, Giro, Festgeld, Tagesgeld, Anleihen, Aktien, ETF völlig egal gewesen und der Bürger hätte es verstanden. Es wäre auch völlig unerheblich gewesen ob er mit seinem Tagesgeld diese 5000€ niemals ausschüttet, es wäre aber eine fairer Geste vom Staat gewesen. Den Multimillionär hätten 5000€ Freibetrag nichts gebracht, er hätte weiter fleissig Steuern bezahlt. Der Privatinvestor mit vielleicht 50.000€ - 100.000€ Anlagevermögen hätte aber ein nettes Gimmick bekommen.

  • #4

    chirlu (Freitag, 17 August 2018 00:29)

    Die alte Regelung hat natürlich zu vielerlei Umgehungsmaßnahmen eingeladen; z.B. waren Anleihen mit niedrigem Kupon und dafür entsprechendem Kursabschlag steuerlich günstig, weil (steuerpflichtige) Ausschüttungen in (steuerfreie) Kursgewinne verwandelt wurden. U.a. deswegen glaube ich nicht, daß man dorthin zurückkehren wird – oder sollte. Ein erhöhter Freibetrag wäre sinnvoller, würde aber nicht alle Probleme lösen (insbesondere nicht, daß Inflations„gewinne“ besteuert werden).

  • #5

    Finanzonkel (Freitag, 17 August 2018 07:27)

    Danke für das Aufmerksam machen. Ich habe sofort mit gezeichnet.
    Wird natürlich nichts mehr mit 50.000 Unterstützern.
    Ohne Deinen Artikel hätte ich davon auch nichts erfahren.
    Sollte dann mit anderen Eckdaten erneut eingestellt werden. Vorher aber ordentlich über die Finanzblogger - Szene ordentlich bewerben. Dann könnte es klappen, dass eine ausreichende Anzahl Unterstützer für dieses richtige Anliegen zustande kommt.

  • #6

    Philipp (Freitag, 17 August 2018 09:01)

    Ich glaube es liegt eher an der fehlenden Reichweite. Ich zum Beispiel interessiere mich sehr für Finanzen und lese auch einige Blogs, bin aber trotzdem erst auf die Petition aufmerksam geworden, als dieser Beitrag hier vom Finanzwesir verlinkt wurde. Wie soll denn jemand, der keine Finanzblogs liest und sein Geld einem Bankberater anvertraut von der Petition hören? Wenn da keine Werbung in Fußgängerzonen oder in den Abendnachrichten gemacht wird, wird das nichts. Was wir brauchen ist eine Lobby und eine Lobby braucht ein Podium. Das, was gerade von vielen Finanzbloggern angegangen wird, ist richtig: Aufklärung, Information, Unterhaltung, Treffen. Allerdings reicht es nicht, wenn die Finanzblogger in ihrem eigenen Saft schmoren und auch nicht, dass sich 10 Leute auf Forentreffen über ihre privaten Finanzen unterhalten und darüber debattieren, ob nun ETFs oder Einzelaktien besser sind. Mir kommt es manchmal vor, als begreift der Deutsche gar nicht, dass er aktiv Einfluss auf die Politik nehmen kann. Es wird auf Politiker und die Ungerechtigkeit des Systems geschimpft, aber keine Stellung bezogen. Dabei kann Lobbyarbeit sehr viel Spaß machen und man bekommt mit, dass die Leute, die die Gesetze machen auch nur ganz normale Menschen sind. Was ich allerdings befürchte ist, dass der derzeitige Boom finanzieller Themen in Deutschland (zumindest in der Szene) einen rapiden Abschwung erleiden wird, wenn es zur nächsten Rezession kommt. Dann ist man wieder da, wo man war als die Dotcom-Blase crashte.

  • #7

    Marion (Freitag, 17 August 2018 10:52)

    Vielleicht kann man versuchen, die Petition stärker und über mehr Kanäle zu bewerben (wenngleich es jetzt leider auch ein bisschen spät dafür ist). Oder über Plattformen wie z.B. change.org verbreiten? Diese erreichen viele bereits registrierte Interessenten automatisch per Mail.

  • #8

    Sven (Freitag, 17 August 2018 18:37)

    "Ist das Ansinnen unsinnig oder falsch?"

    Es ist unsinnig, nicht durchdacht und populistisch.

    Es ist überhaupt nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet Aktionäre steuerlich begünstigt werden sollen und andere Formen der Altersvorsorge nicht.
    Es ist auch sonst nicht einzusehen, weshalb es darauf ankommt, wo ich bei der Steuer entlastet werde. Wenn Altersvorsorge das Ziel ist, hilft natürlich jede Steuerentlastung. Wo ist doch völlig egal.

    Auch wird natürlich wieder nicht gesagt, wo das Geld herkommen soll. So ist es eine von tausenden von Forderungen: "Wir wollen weniger Steuern zahlen, aber die gleichen Leistungen vom Staat."

    Zuletzt ist der Vergleich mit anderen Staaten natürlich völlig unsinnig. Wie soll man einen Staats, in dem es überhaupt keine gesetzliche Rente gibt, aber steuerliche Förderung mit einem anderen Staat vergleichen, in dem es umgekehrt ist.

  • #9

    whiro (Montag, 20 August 2018 15:22)

    @Daniel: Bin da völlig bei dir!

    Warum das ganze noch komplizierter machen, als es eh schon ist (die ach so tolle Investmentsteuerreform 2018 zum Beispiel....)
    Man wäre gezwungen die Haltedauern zu erfassen, was ein Riesenaufwand wäre und dann kommt nach 4 Jahren und 11 Monaten der Crash? Nein, danke...
    Der Freibetrag von 801€ pro Person ist ein Unding: Vor 2007 waren es noch 1421€, ist nur wegen den Niedrig-Zinsen keinem aufgefallen... Also wäre es angebracht, den Freibetrag mindestens auf das alte Niveau zu bringen (zu verdoppeln) und zumindest regelmäßig der Inflation anzupassen....