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Relaunch der wikifolio-Webseite

Vor wenigen Tagen hat die Webseite wikifolio.com einen Relaunch erfahren.

 

So ist zum Beispiel das Logo neu und das Design einiger Seiten hat sich geändert.

 

Ob es außer Kosmetik ebenfalls signifikante inhaltliche Änderungen des Angebots oder der Nutzungsmöglichkeiten gab, erfährst Du im folgenden Blogpost.

 


Alter WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN

 

Wer sich nach dem Relaunch die neue Webseite anschaut und sich durch die Unterseiten klickt, dem wird natürlich das neue Logo auffallen und dass die Start- und Landing-Pages für Interessenten überarbeitet worden sind. Der einstmals innovativen Plattform kommt es erneut auf kosmetische Verschönerungen an, schon die letzte Überarbeitung änderte wenig an der Funktionalität der Seite.

 

Ein neues Logo oder die noch prominentere Präsentation der bereits großen Zugpferde mag wichtig sein. Für die Masse der Anleger und der wikifolio-Trader sind es aber kein Grund, die Plattform öfter anzusteuern oder dort aktiver zu werden. Ein Anreiz wären zum Beispiel geringere Gebühren der wikifolio-Zertifikate, bessere Statistiken und eine höhere Konfigurier-barkeit, was man in Watchlist und Feedsektion sehen und sich anzeigen lassen kann. Doch da hat sich leider nichts getan.

 

Snapshot von der Wikifolio-Webseite, 31.12.2021

Die neue Übersichtsseite für eine wikifolio - wenig Änderung, wenn man vom Balken unter dem Chart absieht.


 

 

Dabei wäre es durchaus Zeit, die vorhandenen Schwachstellen zu benennen und anzugehen:

 

 

Zum Beispiel, dass die Rangliste zunehmend statisch wird, da sie von 1 Wert dominiert wird: den Assets under Management, d.h. der Höhe der investierten Gelder. Das Größe aber kein Qualitätsmerkmal für die Ewigkeit ist (eben wie bei aktiven Investmentfonds), kann jeder sehen, der sich die Mühe macht und die Performance der Dickschiffe gegen die Benchmark-Indizes in den letzten 12 Monaten kritisch prüft.

 

Oder der Punkt, dass der Risikofaktor eine schlecht konstruierte Kennzahl ist und für eine hohe Zahl von wikifolios gar nicht berechnet wird. Womit diese diskriminiert werden, wenn er an anderer Stelle als Werbemerkmal herausgehoben und eingesetzt wird.

 

Eigentlich soll der Risikofaktor ja das Kursschwankungsrisiko des Depots im Verhältnis zu einer durchschnittlichen Eurostoxx 50 Aktie abbilden. Das ist entweder nachlässig formuliert oder einfach irreführend.

 

Man sieht die schlechte Konstruktion auch daran, dass Dach- und Derivate-wikifolios laut Webseite von der Berechnung ausgeschlossen werden. Der Ausschluss passiert auch, wenn weder Anlage-Zertifikate noch andere wikifolios enthalten waren und sind. Es genügt, wenn der Trader diese Assetklassen in seinem Anlageuniversum beim Start nicht ausgeschlossen hat.

 

 

Das ist halt immer noch so, als würde man nicht das tatsächliche Risiko und Handeln seiner wikifolio-Trader bewerten, sondern lieber das Kreuzel in einem Formular bzw. das bei Auflage des Depots beabsichtigte Risiko-Verhalten. Dabei kann wikifolio.com selbstverständlich die realisierte Volatilität des wikifolio-Zertifikates direkt heranziehen ohne Wenn und Aber.

 

Auch führt die heutige Verfahrensweise zur Absurdität, dass von bestimmten wikifolios ein Risikofaktor täglich berechnet wird, die Kombination dieser selben wikifolios zu einem Dach-wikifolio (mit höherer Diversifikation) aber "bestraft" wird, indem die Berechnung unterbleibt.

 

Würde ein Trader mit seiner (Derivate/Anlagezertifikate)-Strategie im Sinne seiner Anleger die Volatilität des wikifolio-Kurses abfedern, wird auch kein Risikofaktor berechnet (siehe oben). Das heißt, er hat von seiner Mühe nichts und Anleger können ihn nur sehr schwer finden, es sei denn er wird in einem Artikel netter Weise erwähnt. Verwendet der Trader stattdessen ETFs, auch solche mit negativem Hebel, wird der  Risikofaktor weiter berechnet...

 

 

Kennzahlen des Wikifolios, Stand 31.12.2021

Werbung: So einfach geht's. Dabei wurden die Suchmöglichkeiten überhaupt nicht überarbeitet.


 

 

Demgegenüber stehen anerkannte Risiko-Kennzahlen bereit, die sich anhand der täglichen, handelbaren wikifolio-Kurse berechnen lassen, egal was im Portfolio zeitweilig enthalten war oder ist.

 

Die Sharpe-Ratio oder Treynor-Ratio sind vielleicht nicht sexy, aber bewährt! Sie ermöglichen auch den Vergleich zu anderen Investment-Vehikeln, ja selbst zu ETFs. Damit sie aussagefähig sind, muss man sie am besten über mehrere Zeiträume berechnen.

 

Wenn der Zeitraum unbedingt 1 Jahr sein soll, so wie heute die Standard-Einstellung bei wikifolio.com, könnte man beispielsweise die Sharpe-Ratio des Eurostoxx 50 Index heranziehen (genauer: eines Depots mit den 50 Index-Einzelwerten, aber eben nicht die durchschnittliche Eurostoxx 50 Aktie) und diesen Wert mit der Sharpe-Ratio des jeweiligen wikifolios ins Verhältnis setzen, jeweils für 1 Jahr. Voila‘ ein Risikofaktor bzw. Risikoverhältnis ganz ohne Ausschlüsse oder die oben geschilderten Beschränkungen.

 

 


ÜBERALL LICHT UND SCHATTEN

 

 

Erfreulich ist hingegen, dass man in den Charts zur Kursentwicklung nun nicht nur Benchmark-Indizes einblenden kann, sondern auch frei gewählte wikifolios. Das ging bisher mit der Funktion „Vergleichen“ für maximal 3 Werte auch schon. Vermutlich haben diese Funktion aber gar nicht so viele Anleger auf der Plattform gefunden und benutzt.

 

Überhaupt ist der Punkt „Vergleichen“ oder „Suchen“ bei über 30.000 wikifolios eine sehr wichtige Funktionalität, wo man sich deutliche Verbesserungen gewünscht hätte. Die Suche mit intuitiv zu bezeichnen, wie der obige Snapshot es zeigt, ist meiner Meinung nach sehr gewagt.

 

 

Einerseits will man ja als Trader wissen, wo man im Vergleich zu ähnlichen Strategien steht. Andererseits wollen Anleger sich schnell zurechtfinden und vermeiden, Äpfel mit Birnen zu vergleichen bzw. ungeeignete Anlage-Vorschläge zu erhalten.

 

 

Das ist aber mit der vorhandenen Suche bestenfalls schwierig oder nur mit viel Übung zu bewerkstelligen. Denn hier hat man leider nicht von gut gemachten Webseiten für den Vergleich von aktiven und passiven Investmentfonds gelernt, sondern die Filterung und Sortierung komplett neu programmiert.

 

Das macht die Bedienung nicht nur unnötig kompliziert. Nein, die vermeintlich einfachen Kennzahlen, wie die Performance seit Erstemission oder das investierte Kapital werden weit oben im Such-Prozess platziert und man startet daher vom falschen Ende.

 

Das führt zum Beispiel dazu, dass wenn Wasserstoff-Aktien oder Bitcoin einen Lauf haben, es kein Problem ist, diese Performance-Knaller im Suchergebnis zu finden. Oder wikifolios mit nur 1 bis 3 Aktien und wilden Kurskapriolen. All das landet schnell und unkompliziert in der gleichen Sortierung wie andere, diversifizierte wikifolios. Diese dann entsprechend weit hinten.

 

Bis man sich alle Filter zusammengestellt hat, um eine aussagefähige Liste zu erhalten, die solche Extreme ausschließt, vergeht dann schon eine Weile. Seriösere (Fondsvergleich-) Webseiten starten hingegen immer mit der Auswahl der enthaltenen Assetklassen und der Region einer Anlage, weil nur so Äpfel mit Äpfeln verglichen werden. Warum wohl?

 

Auszeichnungen oder Label, die nicht permanent sind, ebenso Ratings, die jederzeit entzogen werden können, stehen zurecht auf solchen Seiten nicht für eine Suche zur Verfügung, sondern sind einfach zusätzliche Merkmale und manchmal Pluspunkte. Auch kann der Interessent mehrere Vehikel in den Kennzahlen über verschiedene Zeiträume vergleichen und eine Benchmark wird notabene eingeblendet. All das sucht man auf wikifolio.com immer noch vergebens bzw. muß man händisch selber erledigen.

 

Es ist also eher „schlechter Stil“, dass Eigen-Ratings so prominent eingesetzt werden. Hingegen wurde und wird der Handelsstil der Trader bzw. genauer die versprochene Transparenz, wie erfolgreich die Trader seine Handelsidee umsetzt, für Interessenten nicht für eine Suche aufbereitet.

 

Da wäre es eben nicht mit Performance-Zahlen getan und als zentraler Punkt muss man jedem wikifolio eine adequate Kategorie und Benchmark zuweisen. Seit der letzten Studie von Ende 2018 haben wir zu den Fortschritten diesbezüglich nichts mehr gehört.

 

Wikifolio.com verfügt über die Daten zu allen Transaktionen, insbesondere während und nach dem Corona-Crash. Der Zeitraum bis 2018 war hingegen nur „Sonnenschein“ an der Börse. Könnte die Seite diese Daten einsetzen, um Anleger und Trader weiterzubilden und smartes Investieren zu fördern? Selbstverständlich. 

 

 

Bis heute gibt es auch nur 4 Kategorien für den Handelsstil der Trader: aktiv diversifiziert, Heavy Trader, mittel- bis langfristig und regelbasiert. Ob jemand erfolgreich aktiv diversifiziert oder erfolgreich häufig tradet, darauf hat ja die Wissenschaft schon Antworten gefunden, wie man das messen kann.

 

Das wäre doch echter Social Trading Mehrwert! Dazu wünschen wir uns entsprechende Artikel und Auswertungen auf wikifolio.com. Dafür würden auch wir Trader und erst recht die Anleger in Kauf nehmen, dass es keine Artikel zu „Hot Stocks“ oder zur „Fear of Missing Out“ mehr zu lesen gäbe. Also Artikel, die vielleicht Klicks generieren, aber Anleger und Trader zu emotionalem Fehlverhalten beim Investieren verleiten.

 

Stattdessen Einblicke in die Daten, kontinuierlich, die das Verhalten vieler Anleger zum Positiven verändern und zu besseren Ergebnissen im Depot führen. Das Stichwort Behavior Gap dürfte auch den Machern einer Social Trading Plattform bekannt sein.

 

Lange Artikel oder Kommentare auf der Plattform zu hinterlassen, sollte man sich sowieso sparen. Diese werden nicht gelesen bzw. wie der Snapshot unten zeigt, unleserlich angezeigt.

 

Am Besten postet man auf seiner eigenen Webseite, so wie ich es hiermit getan habe.

 

So sieht ein langer Kommentar auf wikifolio.com im Jahre 2022 aus.
Wenn man auf Weiterlesen klickt, verschwindet glücklicherweise der Bug von selbst.


 

 

Aber vielleicht kommt ja bald Phase 2 des Relaunch: Mit der besseren Vergleichs- und Suchfunktion, die den typischen Anlegerfehlern bei der Auswahl von Investmentfonds oder Zertifikaten vorbeugt.

 

Hoffen wir auf eine sortierbare Liste für wikifolios, die im gleichen Anlageuniversum unterwegs sind und wo übersichtlich Performance, Risikokennzahlen und auch die Trading-Häufigkeit für mehrere Zeiträume im Vergleich dargestellt sind. Wo es selbstverständlich eine adequat ausgewählte Benchmark zu jedem wikifolio gibt und meinetwegen auch alle Eigen-Ratings aufgeführt sind.

 

Hoffen wir auf eine Zeit, wo wikifolio.com seine Daten nutzt, um den Handelsstil und den Erfolg der Trader darin, diesen umzusetzen, fair bewertet und sein Alleinstellungsmerkmal wirklich einsetzt, Positives zu bewirken. Wo selbstverständlich die Kosten und die Höhe der Assets under Management angezeigt werden, aber nicht mehr so im Vordergrund stehen.

 

(c) 2022, Covacoro

 

 


 

"Das Geheimnis des Börsengeschäfts liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, dass der Durchschnittsbürger tut."

 

 

John Maynard Keynes


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Kommentare: 1
  • #1

    Prof (Samstag, 23 April 2022 14:16)

    Da schwingt doch allerhand (berechtigter) Frust mit.

    Dem habe ich noch hinzuzufügen, dass US-Dividenden von Wikifolio abkassiert werden. Das heißt also beim größte Aktienmarkt der Welt mit Marken wie Coca Cola, Microsoft, Apple, John Deere, IBM, Intel, Pfizer hat man als Wikifolio - Manager das Problem, dass man keine Dividenden erhält.
    So werden Anleger z.B. systematisch in dividendenlose Techwerte getrieben.