· 

Rezension: Reich werden und bleiben

"Reich werden und bleiben" - diese Art Titel kennen wir aus der angelsächsischen Literatur und mancher wird eher davon abgeschreckt als angezogen.

 

Das Buch von Rainer Zitelmann ist aber wohltuend anders: sprachlich und von der Herangehensweise.

 

Es ist erst 2015 im Finanzbuch-Verlag erschienen, kann also auf aktuelle Entwicklungen eingehen und diese berücksichtigen (zum Beispiel die Finanz- und Staatsschuldenkrise, die niedrigen Zinsen auf relativ sichere Anlageklassen).


 

Es nähert sich dem Thema Reichtum, indem es zunächst den Stand der wissenschaftlichen Forschung erläutert und zusammenfasst. Es folgen die Diskussion finanzieller Ziele und die Ableitung einer nachvollziehbaren Strategie, um diese zu erreichen. Wer hier allerdings konkrete Produkt-Empfehlungen oder ein einfaches Rezept erwartet, wird enttäuscht werden. Der Fokus liegt viel mehr darauf, bestimmte Fehler zu vermeiden, keinen Mythen der Finanzindustrie zu erliegen und sich Wissen anzueignen, wie man sinnvoll mit Kapital und Risiko umgeht.

 

Der Autor liefert Beispiele, wie große Vermögen aufgebaut und verloren wurden und erörtert, welche Schlussfolgerungen er daraus gezogen hat. Daher denke ich, dass das Buch prinzipiell für ein breites Publikum empfehlenswert ist: sowohl für Anleger, die gerade den Einstieg zu Börse und Geldanlage gefunden haben, als auch für Selbständige, Unternehmer, Privatiers und Rentner, die vielleicht nach Enttäuschungen mit ihrer Bank oder ihrem Anlageberater zu dem Schluss gekommen sind, dass sie sich besser selbst um ihr Vermögen kümmern sollten. 

 

Wer die knapp 200 Seiten nicht lesen will, dem empfehle ich die folgende Buchrezension, wo ich auf weitere Details und interessante Thesen des lesenswerten Buches eingehe !


INHALT

 

Starten wir mit einem Überblick über den Inhalt des Buches. Es untergliedert sich in vier Teile. Dabei sollte man Einleitung und Nachwort keinesfalls überspringen oder auslassen, denn sie tragen zur Einordnung und zum Verständnis des Buches bei, sind dazu unterhaltsam geschrieben, ja könnten für sich allein stehen. Die beiden Hauptteile widmen sich dann den im Titel benannten Themen und bauen aufeinander auf. 

 

Einleitung: Vom Millionär zum Tellerwäscher 

 

Teil 1: Reich werden

  • Macht Geld glücklich?
  • Wie die Reichen reich werden
  • Soll ich mich selbstständig machen, um reich zu werden?
  • Wer reich werden will, muss verkaufen lernen
  • Ehrlich währt am längsten
  • Sparsame Millionäre
  • Die Bedeutung finanzieller Ziele

Teil 2: Reich bleiben

  • Übernehmen Sie die Verantwortung für die Geldanlage
  • Anlage-Mythen über Diversifikation und Volatilität
  • Anlegerfalle 'Home Bias'
  • 'Rückspiegel-Investments' und Anlagemoden
  • Aktien: Der agnostische Ansatz und die Odysseus-Strategie
  • Reich werden mit Immobilien
  • Welche Anlagen brauchen Sie noch - und welche nicht?
  • Unterschätzte persönliche Risiken für den Reichtum
  • Unterschätzte politische Risiken für Reiche

Nachwort: Warum unsere Gesellschaft die Reichen braucht

 


WAS SAGEN ANDERE ZUM BUCH?

Die Testimonials und Stimmen zum Buch stammen aus der Feder von Journalisten, Investoren, Unternehmern, Wissenschaftlern, Bankern und Politikern. Ein breites Spektrum also und Beweis für ein gutes Netzwerk des Autors. Da einige Sätze das Buch bemerkenswert gut "auf den Punkt bringen", möchte ich sie zitieren und hier voranstellen. 

 

"Rainer Zitelmann zeigt anhand der Ergebnisse der wissenschaftlichen Reichtumsforschung, wie man reich werden - und es vor allem auch bleiben - kann. Unternehmertum kann dabei ein wichtiger Schüssel zum finanziellen Erfolg sein ..."

Theo Müller, Unternehmer, Müller Milch Gmbh&Co KG

 

"Es hat sich immer wieder gezeigt, dass das Investieren gegen den Strom und das Handeln im Widerspruch zu vielen als allgemeingültig geltenden Wahrheiten der Weg zum Erfolg ist - egal auf welchem Gebiet. Lesen Sie dieses Buch von einem erfolgreichen Immobilien-Investor, um zu sehen, wie man mit dieser Strategie Erfolg hat ..."

Jim Rogers, Investor

 

"Klar, präzise, ohne Umschweife den Punkt treffend ..."

Mario Caroli, Gesellschafter Ellwanger & Geiger 

 


VOM MILLIONÄR zum TELLERWÄSCHER

In der Einleitung gibt es nicht nur Beispiele, wie Prominente, Lottogewinner, Sportler, Unternehmer usw. ihr Vermögen wieder verloren haben, sondern es wird vor allem die These aufgestellt, dass es schwerer ist ein Vermögen zu erhalten und zu vermehren, als es erstmals zu erlangen.

 

Ohne entsprechendes Wissen, ist das Risiko hoch, das Geld wieder zu verlieren. Laut dem Autor unterscheidet sich das Buch von anderen vor allem dadurch, dass es einen Wissenschaftsteil voranstellt (Erkenntnisse der Reichtumsforschung, einer relativ neuen Disziplin). Neben den Grundlagen der Investmenttheorie bespricht es danach die Erkenntnisse aus der Beobachtung von erfolgreichen Unternehmern und Investoren, die der Autor für sich selbst anwendet.

 

Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Vorbilder mit Immobilien, Hotels, Aktien, in einem Unternehmen oder vollkommen anderen Anlageklassen erfolgreich waren, sondern es steht im Mittelpunkt, was verallgemeinerbar ist und auf das persönliche Umfeld übertragen werden kann. 

 


REICH WERDEN

Im ersten Hauptteil wird zunächst wird die Frage aufgeworfen: wozu das Ganze? Was haben Geld, Glück, Unabhängigkeit, Reichtum, Gesundheit, Sicherheit und Zufriedenheit miteinander zu tun? Rainer Zitelmann nutzt zahlreiche wissenschaftliche Studien, um interessante Zusammen-hänge zu beschreiben und zu belegen. Er vertritt klar die Meinung, dass Unabhängigkeit und Sicherheit lohnenswerte Motive sind, um Reichtum anzustreben und zu erhalten - aber nicht Konsum. 

 

Was es bedeutet "reich" zu sein, darauf antworten die Deutschen im wesentlichen mit 4 Antworten:

  • "Sich im Alter keine Sorgen machen zu müssen". (87 Prozent)
  • "Vollkommen unabhängig von staatlicher Absicherung zu sein." (76 Prozent)
  • "Sich jederzeit alles leisten können, was man will." (75 Prozent)
  • "Ausschließlich von Vermögenserträgen leben können, ohne arbeiten zu müssen." (70 Prozent)

Einige der Aussagen sind schwammig bzw. ihre Interpretation sehr subjektiv, denn es hängt beispielsweise vom Anspruch des Einzelnen ab, wie hoch der benötigte Kapitalstock sein muss und vom Zeithorizont, für den er benötigt wird. Zitelmann verwendet in seinem Buch die Definitionen wie sie im "World Wealth Report" vorgegeben werden. Diese sind zum Beispiel auf der Webseite  oder bei Wikipedia nachzulesen. Dieser Exkurs in die Klassifizierung von Reichtum dient aber am Ende vor allem dazu, zu diskutieren wie dieser Reichtum erworben bzw. angehäuft wurde. Anhand einer Dissertation an der Universität Potsdam geht der Autor der Frage nach, welche Faktoren dafür entscheidend sind, ob eine Person in Deutschland zu Wohlstand oder Reichtum gelangen kann. Betrachtet werden unter anderem:

  • Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeiten
  • Chancen als Unternehmer, Selbständiger, Freiberufler, Angestellter
  • Rolle der Geldanlage in Immobilien, Aktien etc. und von Erbschaften 

Vielleicht wenig überraschend: die Chancen sind höher, wenn man offen gegenüber Neuem und anderen Personen ist und über eine hohe Risikobereitschaft verfügt. Sparsamkeit, nicht etwa hoher Verdienst, ist die wesentliche Grundlage für ein hohes Vermögen. "Beim Sparen ist es wie beim Essen: Die Sünden der Gegenwart summieren sich sukzessive auf, und umgekehrt führt die in der Gegenwart gezeigte Disziplin langfristig zu den ersehnten Ergebnissen - also zu einem hohen Vermögen oder einer guten Figur." Die meisten Menschen sparen jedoch zu wenig, nicht konsequent genug oder legen das Geld falsch an. 

 

Der Autor bespricht die zur Verfügung stehenden Anlageklassen und ordnet sie nach Risiko und Tauglichkeit in Bezug auf den Vermögensaufbau. Zweigleisig zu fahren - also auf Immobilien und Aktien zu setzen, nachdem ein "Notgroschen" angesammelt wurde, wird als Strategie letztendlich vorgeschlagen. Wenn man die Geldanlage selbst verantwortet, ist es entscheidend, sich gegen Vorurteile und Emotionen zu wappnen. Zitelmann teilt weder das Mantra, dass Diversifikation stets risikosenkend ist noch die Meinung, dass eine geringe Volatilität gleichbedeutend mit niedrigem Risiko ist. Er zeigt anhand von Immobilien-Investitionen, wie ein langfristig orientierter Investor entgegen der Stimmung der Mehrheit und entgegen des Mantras Diversifikation investieren kann, ohne ein höheres (Verlust-) Risiko einzugehen.

 

Auf dem Gebiet der Aktienanlage befürwortet er aber die Investition in ETFs, das heißt den agnostischen Ansatz oder auch die sogenannte Odysseus-Strategie, die im 2.Hauptteil ausführlicher besprochen wird. Diese eignet sich seiner Meinung nach dann für den Anleger, wenn man zur Einsicht gelangt, dass es schwer oder unmöglich ist, die besten Aktien oder Fonds auszuwählen sowie die Märkte zu prognostizieren. Es bedarf aber Disziplin und innerer Stärke, nicht genau dann zu verkaufen, wenn andere ebenfalls verzweifelt verkaufen, sondern sich selbst "an den Mast zu binden" und stur Kurs zu halten. 

 


REICH BLEIBEN

Der Einstieg zu diesem Teil bildet ein Kapitel, wie naiv Bankkunden - egal wie vermögend - an das Thema Geldanlage und Vermögenserhalt oftmals herangehen. Es werden die Punkte Provisionen und Kosten angesprochen. Danach geht es um Anlagemythen und -moden und warum Diversifikation nötig sein kann, aber differenziert betrachtet werden sollte. Wie bereits oben geschrieben, ist sie das Eingeständnis von Unsicherheit und Unwissenheit, wobei das kein Ausdruck von Dummheit ist, sondern von Klugheit. Denn wer weiß, dass er nichts weiß, ist auf jeden Fall dem überlegen, der sich Wissen anmaßt über Dinge, von denen er eigentlich nichts versteht.

 

Bevor man diese Entscheidung trifft, sollte man analysieren, was das Ziel der eigenen Geldanlage ist und ob man in einem effizienten oder ineffizienten Markt investieren will. Es gibt durchaus Nischen, wo mit Disziplin, Wissen und Aufwand ein Vorteil gegenüber der breiten Masse herausgearbeitet werden kann. Damit grenzt sich Zitelmann explizit von den Verfechtern der sogenannten "effizienten Kapitalmarkttheorie" ab, die davon ausgehen, dass alle wesentlichen Informationen zu jedem Zeitpunkt bereits in den Aktienkursen oder Immobilienpreisen enthalten sind und das es daher unmöglich ist, den Markt zu schlagen. Ein ganzes Kapitel bleibt der Strategie bei Immobilien-Investitionen vorbehalten, worin der Autor offensichtlich über großes Wissen verfügt und eine Erfolgsbilanz vorweisen kann. 

  


NACHWORT und FAZIT

Im Nachwort beschäftigt sich der Autor mit der Frage, ob Reiche wirklich die Müßiggänger und Raffzähne sind, wie oft behauptet. Oder ob Wohlhabende unrechtmäßig von einer Umverteilung von Unten nach Oben profitieren, weil die Kapitalrendite typischerweise über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegt (siehe Weltformel im Bestseller von Thomas Piketty "Das Kapital im 21. Jahrhundert"). Er liefert darauf differenzierte Antworten, zum Beispiel das 82% der deutschen Millionäre einem Vollzeitjob nachgehen oder das zahlreiche Investitionen unterbleiben würden, wenn nicht die Reichen frei verfügbares Kapital bereitstellen könnten. Kurz gesagt: er zeigt auf, dass eine pauschale Kritik unrichtig ist und zu kurz greift. 

 

Auch bezüglich den Themen Vermögensaufbau und -erhalt hebt sich das Buch wohltuend von der Masse existierender Publikationen ab. Zum einen ist die Darstellung differenziert und hinterfragt Argumente, Meinungen und Lehrsätze und zum anderen beansprucht sie nicht das Rezept für jeden Leser zu liefern. Viel mehr betont das Buch, wie wichtig eigene Wege bei der Geldanlage sind. Es kann also durchaus sinnvoll sein, im Rahmen einer Strategie einen Teil per Sparplan zu investieren: in ein "Weltportfolio" aus ETF-Indexfonds auf den MSCI World und den MSCI Emerging Markets wie derzeit allerorten propagiert und gleichzeitig vollkommen indexunabhängig und entgegen von Anlagemoden einen anderen Teil in Immobilien, Einzelaktien oder Sachanlagen, vorausgesetzt, das Wissen dafür ist vorhanden und ein entsprechendes Risikomanagement. Denn abgerechnet wird bekanntlich zum Schluß und dann gilt hoffentlich:

 

 "Geld ist der Schlüssel zur Freiheit."  Coco Chanel 

 

Das Buch "Reich werden und bleiben" legt also den Schwerpunkt auf Ziele, Strategien und Methoden und vermittelt nebenbei eine Menge Wissen zu Reichtum, Glück und Geldanlage. Die Produkte, womit dies umgesetzt wird, kommen an zweiter Stelle und eine Adaption des Buches auf seinen konkreten Fall muss jeder Leser selbst leisten. Rainer Zitelmann legt dar, welche Punkte er selbst in seine Strategie übernommen hat und welchen Moden oder Mythen er eine Absage erteilt. Weiterhin geht er auf Persönlichkeitsmerkmale und Eigenschaften erfolgreicher Anleger und Unternehmer ein: Eine gewisse Bodenständigkeit und Distanz zu sich selber, ein sich ständig Hinterfragen aber auch Offenheit dem Neuen gegenüber oder unbekannten Menschen und schließlich der Mut, sich den Stimmungen der Mehrheit zu widersetzen und eigene Wege zu verfolgen. In Summe: ein gelungenes und lesenswertes Buch.

 

  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0