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Diversifikation 3.0

Osterkorb, Bildquelle: Fotalia, freie Lizenz

Immer wieder stoße ich darauf, auf dieses Zauberwort: Diversifikation.

 

Man soll niemals alle Eier in den selben Korb legen, sondern stattdessen so viel wie möglich streuen oder diversifizieren, das würde das Risiko senken.

 

 

Und immer wieder regen sich dann die Widerspruchsgeister, bestätigt doch meine Lebenserfahrung eher das Gegenteil: Fokus und Engagement führen zu besseren Ergebnissen, als auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Risiken werden beherrschbar, wenn man Zusammenhänge versteht und Fehler deshalb eingrenzen kann, statt darauf zu vertrauen, dass der Fehler nur einen kleinen Teil des Systems betreffen wird, weil sich hunderte unabhängige Elemente darin befinden.

 

Wie ist das also mit der Diversifikation? Gilt für die Geldanlage etwas Anderes als im allgemeinen Lebensumfeld? Eine Spurensuche.

 


AUS DEM LEHRBUCH

Der Begriff der Diversifikation taucht am häufigsten in zwei Spielarten auf, die ich an dieser Stelle einfach Version 1.0 und 2.0 nennen möchte:

 

Einerseits in der Portfoliotheorie a la Markowitz, wenn es um die Streuung über verschiedene Assetklassen geht. Statt 100 Prozent in eine einzige Assetklasse zu investieren, wird das Portfolio strategisch aufgeteilt: auf risikobehaftete und risikoärmere Assetklassen, zum Beispiel auf Aktien, Anleihen, Cash etc.

 

Das grundlegende Ziel: ein effizientes Portfolio zu haben, das bei minimaler Schwankung den höchsten Erwartungswert für die Rendite hat. Ein Rebalancing stellt sicher, dass die gewählte Aufteilung immer wieder hergestellt wird.

 

In Version 2.0 wendet man dieses Prinzip innerhalb der einzelnen Assetklassen an und beschließt zum Beispiel, den Aktienanteil maximal zu streuen - über alle Länder und Börsen hinweg, sowohl Developed als auch Emerging Markets berücksichtigend und auch alles vom Blue Chip bis zum Small Cap findet Einlaß.

 

Simples Credo: von allem ein bißchen, dann stört es wenig, wenn es bei einzelnen Positionen mal einen Totalausfall gibt.

 

Für die Diversifikation 1.0 können nur historische Daten herangezogen werden, die die typische mittlere Rendite, die Schwankungsbreite und die Korrelation der Assetklassen untereinander bereitstellen. Sie fließen in das Modell der Zukunft ein und das ergibt tolle Kurven, ist mathematisch schlüssig und klingt super wissenschaftlich. Man kann sich dem nur schwer entziehen und ich gebe es zu: Ich benchmarke mein Portfolio regelmäßig gegen eine Risiko-Rendite-Kurve a la Markowitz und habe eine Ziel-Allokation für die einzelnen Assetklassen.

 

Unschön ist nur, dass diese Diversifikation immer genau dann versagt, wenn man sie am Nötigsten hat. Egal ob Aktien, Staats- oder Unternehmensanleihen, bestimmte Rohstoffe oder andere alternative Assets: sobald entdeckt wurde, dass das eine mit dem anderen zuletzt wenig oder negativ korrelierte, fließen Anlagegelder zu und beim nächsten Sturm ist der nette, stabilisierende Effekt dahin! Nicht selten bewegen sich dann mehrere Assetklassen gleichzeitig gen Süden, über Monate oder sogar Jahre.

 

Kurzes Fazit also: Der optimale, risikoarme Mix ist eine Fata Morgana, der man nachjagen kann. Aber man sollte sich nicht wundern, wenn das Risiko Purzelbäume schlägt und das Portfolio sich gar nicht modellgemäß entwickelt. Was optimal war, derzeit ist und zukünftig sein wird, ändert sich ständig und je nach Blickwinkel und Zeithorizont. Darum sollte man es mit der strategischen Allokation nicht übertreiben.

 

Im übrigen soll dieser Gedanke kein Argument gegen ein regelmäßiges Rebalancing sein, eher im Gegenteil. Es macht sehr viel Sinn, teuer gewordene Assetklassen zu reduzieren und billige aufzustocken. Man kann weiter denken: statt historischen Kennzahlen und Korrelationen zu vertrauen, um den Anlagemix festzulegen, erscheint es legitim und risikosenkend, wenn man bewußt die vergessenen und ungeliebten Assetklassen berücksichtigt.

 

Für Diversifikation 2.0 werden meist breit streuende Indexfonds (ETFs) empfohlen, zum Beispiel solche auf den MSCI World oder MSCI Emerging Markets Index für Aktien. Zwar ist zweifellos richtig, dass man mit jedem Fondsanteil sofort in sehr viele verschiedene Werte investiert, aber man tut das parallel zu Millionen anderen Anlegern - privaten und institutionellen, kurz- und langfristig orientierten Akteuren.

 

Der Index selbst, die nötige Marktkapitalisierung und Liquidität, grenzen dieses Anlageuniversum von denjenigen Werten ab, die die Aufnahmekriterien nicht erfüllen. Je mehr Geld in ETFs fließt, desto größer werden die Unterschiede zwischen beiden Universen. Die Konsequenzen daraus sind weder eindeutig positiv noch eindeutig negativ. Mancher Anleger dürfte aber trotzdem überrascht werden, wie schnell und panisch die Anlegerherde manchmal die Richtung wechselt und zum Ausgang oder Eingang drängt. Besonders beunruhigend sollte für den Passivanleger dabei sein, dass die Preisfindung durch aktive Investoren stattfindet und zwar schwerpunktmäßig immer noch aktive, institutionelle Anleger, die gezwungen sind, Market Timing zu betreiben.  

 


MÖGLICHE ALTERNATIVEN

 

Indexfonds sind also zuallererst Körbe, die viele Eier enthalten und man könnte sagen, die meist die gleiche oder ähnliche Farbe tragen, sprich bestimmte Merkmale teilen. Zwar kann man mehrere ETFs kombinieren, aber das ist meiner Meinung nach lediglich eine quantitative, naive Diversifikation. Hier kann und wird es Unfälle wie Blasen und Crashs geben, die den gesamten Korb im Gleichklang in Mitleidenschaft ziehen, denn es ist ja gerade deren Kennzeichen, dass es um die Psychologie der Massen dabei geht.

 

Will man sein Portfolio robuster und unabhängiger aufstellen, muß man nach den speziellen, deutlich verschiedenen Körben in einer globalisierten Welt suchen.

 

Das könnte zum Beispiel die bewußte Aufteilung des Portfolios in Aktien aus internationalen bzw. regionalen Indizes sein und vor allem die Hinzunahme von Werten, die eben nicht in Indizes enthalten sind. Eine niedrigere Marktkapitalisierung und geringere Liquidität ist nicht per se etwas Schlechtes, wenn man es aus dem Diversifikations-Blickwinkel betrachtet!

 

Weitere Diversifikations-Körbe sind Online-Handelbarkeit, Zugangsbarrieren, Börsen-Segmente oder sogenannte Special Situations, die jeweils ganz andere Vor- und Nachteile sowie Risiken aufweisen. Faßt man den Begriff der Unternehmens-Beteiligung, den ja eine Aktie darstellen sollte, etwas weiter, erreicht man mit Geschäftsanteilen an lokalen Unternehmen oder kleinen Genossenschaften mehr Diversifikation für sein Portfolio, als mit einem ETF auf börsennotierte Unternehmen.

 

Diversifikation 3.0 bedeutet also für mich, den Mut zu haben, die Autobahnen zu verlassen und auch Trampelpfade zu benutzen. Manchmal kommt man damit sogar schneller ans Ziel oder kann einen Crash an der Börse elegant umgehen.

 

 

Covacoro (c) 2017

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Schneewittchen (Freitag, 19 Mai 2017 20:12)

    Hi,
    danke für Beiträge und Blog. Da bin ich schonmal auf den nächsten Beitrag gespannt, wie du in Genossenschaften oder Geschäftsanteilen von kleineren Unternehmen investierst und so die Diversifikation 3.0 betreibst. Das ist ja durchaus mit etwas Suchen verbunden.
    Grüße!