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Rückspiegel 10/17

Ist es Zeit dem Markt den Rücken zu kehren? (Bild: Kirchentür, Quelle: pixabay.com)

Der letzte Rückspiegel-Artikel im August handelte von Howard Marks Warnung vorsichtiger zu werden, einer konträren, weil positiven Einschätzung zu Europa von Magnus Pirovino und last but not least von der Beobachtung, dass gutes Investieren oft langweilig ist. Zwei Monate später wachsen die Hochhäuser weiter in den Himmel: DAX über 13000 und S&P500 über 2500 Punkte.

 

 

Wenig verwunderlich, dass sich nun zahlreiche Kommentatoren mit der Frage beschäftigen, wie lange die Börsen-Hausse noch weitergehen kann. Je nach Gusto wird die letzte Marktkorrektur dabei auf 2008/09 gelegt oder auf 2011 (Euro-Krise).

 

Nüchtern könnte man vielleicht anmerken, dass Warnungen meist am Beginn einer Rallye zu lesen sind und nicht an deren Ende! Werfen wir also einen raschen Blick in den Rückspiegel für Oktober und konzentrieren uns danach umgehend auf das, was wir beeinflussen können.

 


Ein Narr, wer jetzt aussteigt

 

So lautet der provokante Titel eines Artikels von Nadine Oberhuber auf capital.de.

(Ein super Titel übrigens, der wird sicher viele Klicks bringen.) Seine Kernaussagen sind: niemand kann den Zeitpunkt eines Rückschlags prognostizieren, die Aktien-Fondszuflüsse zeigen bereits seit längerem Vorsicht, Buy&Hold ist die einzige Strategie mit der man nicht die Tage der größten Kurszuwächse verpasst. Alles weitgehend bekannt, neu aufgegossen, umgerührt und serviert.

 

Dr. Ernst Konrad von Eyb&Wallwitz erinnert uns hier daran, dass es Rezensionen bzw. Anzeichen sich verlangsamender Wirtschaftstätigkeit sind, die Bullenmärkte in der Regel beenden. Es sind eben nicht Altersschwäche oder Anzahl verstrichener Kalenderjahre ...

 

Und Mr.Market Michael Schulte betrachtet die Sache mit den Mitteln der Chartanalyse. Sein Artikel Wie eine Topbildung aussieht ist auch für fundamental orientierte Anleger lesenwert. Er zeigt auf, dass die Markttechnik vor wirklich großen Crashs bereits Schwäche erkennen läßt und die hohen Verluste selten aus dem Nichts entstehen.

 

Gerne zitiere ich aus seinem Fazit: "Viel wichtiger als immer wieder sinnlos erraten zu wollen, was in der Zukunft passiert, wäre es also für Anleger, die Fähigkeit zu trainieren, dann wenn es nötig ist auch wirklich konsequent die Reißleine zu ziehen."

 


Die Illusion von Wissen

 

Wir können also nicht wissen, wie lange der Aufschwung an den weltweiten Börsen noch weitergehen wird, sondern uns nur besser auf sein Ende vorbereiten. Erklärungen für die zu beobachtenden Kursverläufe lassen sich im Nachhinein einfach finden: der Kursaufschwung ab September lag beispielsweise und wahlweise an der Politik der EZB, den guten Daten aus den Unternehmen oder an der nun anscheinend wirklich vor der Tür stehenden Steuerreform in den USA.

 

Diese Illusion von Wissen oder von Kausalität erzeugt ja auch ein Gefühl von Sicherheit. Anleger können so ihre eigene Position vor sich und anderen begründen: Wer investiert ist, betont die positiven Aspekte und wer es nicht oder nicht mehr ist, verweist auf die Risiken und natürlich, dass es ja mit der Hausse sowieso bald vorbei sein dürfte. 

 

Aber zurück zur Börse und Wirtschaft: Mark Dittli verabschiedet sich von seiner Position als Chefredakteur bei FuW mit dem Artikel Die verpasste Lehre aus der Krise. Eine lesenswerte Zusammenfassung zur Finanzkrise und ihrer "Bewältigung". Er legt den Finger in die Wunde, wenn er feststellt, dass die systemrelevanten Großbanken ihre Eigenkapitaldecke von 3 auf 6 Prozent der Bilanz-Summe erhöht haben, was aber keinesfalls ausreichend ist.

 

Das Resultat sind rekordhohe Schuldenberge, aufgeblähte Zentralbank-Bilanzen sowie hohe Bewertungen von Staats-Anleihen und Aktien. Das Finanzsystem ist nicht sicherer geworden und es fehlt eine Sicherheitsmarge, die dem Wortsinn gerecht wird. Eben alles auf Kante genäht ... also muss doch der nächste Crash bald folgen und besonders schlimm ausfallen?

 


Keine Panik, sondern Diversifikation

 

Als letzten Artikel in dieser kleinen Reihe zu Crashs, Vorzeichen und Vorbereitung, möchte ich den Beitrag von Christoph Schürmann empfehlen, der zuletzt in der Wirtschaftswoche erschienen ist. Der Minsky-Moment: Was Anleger aus früheren Abstürzen lernen können versucht den Spagat sowohl historische Rückschau zu sein, als auch Ratgeber.

 

Wichtig: der Autor vergisst nicht darauf hinzuweisen, dass es neben den vielfach betrachteten Risiken auch neue Entwicklungen am Finanzmarkt gibt. Der Siegeszug der ETFs und des automatisierten Handels einerseits und der irrationale Überschwang bei Kryptowährungen wie Bitcoin und sogenannten Initial Coin Offerings andererseits sind auch aus meiner Sicht bemerkenswert. Könnte von dieser Seite die eigentliche Gefahr drohen?

 

Der Artikel vermittelt, dass egal welche Assetklasse man durch historische Krisen hindurch gehalten hat, vollkommen ungeschoren kam man nie davon. Jede Klasse hat ihre eigenen Spezifika, Vor- und Nachteile. Aber eine Diversifikation über verschiedene Assetklassen war und ist die einzige Strategie, die eine gewisse Absicherung bietet, über liquides Kapital für den späteren Neustart zu verfügen.

 

Aber bis dahin ist vielleicht auch noch etwas Zeit. Jetzt sind die Warnungen noch zahlreich, gut möglich, dass erst der letzte Pessimist besänftigt sein muss, bevor wirklich etwas passiert. Sind wir in der Phase der Skepsis oder des Optimismus? Für Euphorie sehe ich jedenfalls noch keine Anzeichen.

 

 

„Bull markets are born on pessimism,

grow on skepticism,

mature on optimism,

and die on euphoria.

 

Sir John Templeton

 

(c) 2017 Covacoro


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