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FP: Vorstand findet die richtigen Worte

 

Bereits am 29.05. fand in Berlin die ordentliche Hauptversammlung der Francotyp Postalia AG statt, an der ich teilgenommen habe. Den Weg ins Ludwig-Erhard-Haus hatten ca. 100 Aktionäre und Mitarbeiter gefunden, vom Grundkapital der AG waren damit ca. 40 Prozent anwesend.

 


Die Hauptversammlung wurde wie im Vorjahr vom Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Röhrig geleitet. Er dankte zunächst dem ausscheidenden CSO Thomas Grethe und gab dem Nachfolger als Vertriebsvorstand, Patricius de Gruyter, die Gelegenheit, sich persönlich vorzustellen.

 

Danach erstattete das Vorstandsteam Bericht zum Verlauf des Geschäftsjahres 2017.

Den Ton setzte dabei bereits zu Beginn seiner Rede der Vorstandsvorsitzende Günther mit der Aussage: "Niemand, meine Damen und Herren, niemand, ist hier und heute zufrieden

– mit dem Kurs unserer Aktie, der Bewertung unserer Aktie durch die Märkte."

 

Auf diese Selbstkritik haben viele Investoren gewartet, die den Betrugsfall bei Mail Services im 2.Halbjahr 2017 kritischer und als Rückfall in alte Muster beurteilten: Unerwartete Sondereffekte verhindern bessere Ergebnisse. Der Vertrauensentzug oder die Enttäuschung schlugen sich jedenfalls deutlich im Kurs der Aktie nieder, der von 6 Euro bis auf 3,20 Euro zurückging.

 

Der Vorstand hat nun sicher verstanden, wie sehr das Vertrauen in die neue ACT-Strategie und in das Unternehmen davon abhängen, dass solche Überraschungen minimiert werden und Pläne kommuniziert werden, die auch trotz Sondereffekten eingehalten werden können. Und ich verwende hier absichtlich das Wort Pläne und nicht Prognose, Guidance oder Ziel.

 

Denn bekannt ist, wie ambitioniert die Ziele des Vorstands für Francotyp Postalia bis 2020 und 2023 sind: So soll der Umsatz zunächst auf 250 Mio. Euro steigen (Ziel-EBITDA-Marge größer 17 Prozent), um letztlich im Jahr des 100-jährigen Bestehens 400 Mio. Euro zu erreichen (Ziel-EBITDA-Marge von 20 Prozent).

 

Dazu im Gegensatz stand die abgegebene Prognose für 2017: Leicht steigender Umsatz und leicht steigendes EBITDA bei unveränderten Währungsrelationen, was man als konservativ interpretieren kann. Oder aber: Es steht im Widerspruch zu den Mittelfrist-Zielen, die von deutlichem Wachstum und Zugewinn von Marktanteilen sprechen.

 

Überrascht es aber wirklich, dass die Erwartungshaltung deutlich höher war als die Prognose? Ich denke: Nein. Nach der Verkündung von ACT vermuteten die Investoren, dass die Etappenziele für die Folgejahre 2017/18 bereits greifbar und durch Maßnahmen unterlegt sind. Dass man bald erkennen würde, die Ziele für 2020 sind nicht zu weit hergeholt, Umsätze und Margen verbessern sich schrittweise und kontinuierlich. Die Investoren verteilten also Vorschusslorbeeren für die zukünftige Profitabilität, für Ziele und Visionen. 

 

Mit dem Ergebnis und den Ereignissen aus 2017 wissen wir nun, dass es neben günstigen Entwicklungen für das Unternehmen tatsächlich auch Gegenwind und Risiken gibt, die signifikant sind. Wir wissen nun, dass neben dem organischen Wachstum im Kerngeschäft alle weiteren Geschäftsfelder und Effizienzsteigerungsmaßnahmen erst ganz am Anfang stehen. Wir wissen nun, dass die Verbesserung der Unternehmenskennzahlen keinesfalls eine sichere Sache ist.

 

Unter dem Strich wurde in 2017 ein Umsatz von 208,4 Mio. Euro erzielt und die EBITDA-Marge betrug 13 Prozent (beides währungsbereinigt). Damit hat man die Prognose eingehalten und gleichzeitig Erwartungen verfehlt. Will man die Mittelfristziele für 2020 erreichen, muss der Umsatz um 20 Prozent und die Marge um 30 Prozent gesteigert werden - in 3 Jahren.
 

Hauptversammlung der Francotyp Postalia, Berlin, 29.05.2018
Hauptversammlung der Francotyp Postalia, Berlin, 29.05.2018

Alte und neue Potenziale

 

Aufbauen kann Francotyp Postalia auf dem Kerngeschäft, das auch 2017 gewachsen ist. Bedingt durch das Wachstum im A-Segment für Frankiermaschinen (1 - 200 Briefe/Tag, durchschnittliche Wachstumsrate 2011-16 +2.8%) sind die Aussichten weiter gut. 

 

So konnte zwischenzeitlich die 100.000ste Postbase ausgeliefert werden und der weltweite Marktanteil kletterte auf über 11 Prozent. Besonders dynamisch verlief die Entwicklung in den USA, wo monatlich rund 1000 neue Maschinen in den Markt gebracht wurden. Auch in Frankreich und der Schweiz konnte man deutlich zulegen.

 

Ein Wermutstropfen aber bleibt: Das Wachstum von 3 bis 5 Prozent in den angestammten Geschäftsfeldern wird nicht ausreichen, die mittelfristigen Umsatzziele zu erfüllen. Auch dürfte der positive Margeneffekt begrenzt und kleiner 2 Prozentpunkte sein, wenn er im Wesentlichen durch die ab 2019 rückläufigen Abschreibungen gespeist würde.

 

Daher ist es essentiell, dass die neuen Produkte von FP ein Erfolg werden und zur Baseline beitragen. In 2017 wurde beispielsweise die digitale Signaturlösung FP-Sign am Markt eingeführt und im ersten Quartal 2018 folgte das Kundenportal discoverFP.com. Gestartet ist man damit in UK, Benelux und Schweden, demnächst folgen Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien sowie gegen Ende des Jahres die USA und Kanada.

 

Für beide Lösungen gibt es allerdings noch keine Abschätzung, wann signifikante Umsätze daraus erzielt werden. Wie man aus der Historie mit De-Mail sehen kann, ist die Frage schwer zu beantworten, ob sich eine Softwarelösung durchsetzen kann und ein Portal signifikanten Umsatz generiert. Hoffnung macht diesmal allerdings, dass beide Produkte bei immerhin 200.000 Stammkunden beworben und die Funktionalitäten gemeinsam mit ihnen entwickelt wurden.   

 

Das Knowhow und Potenzial auf den Gebieten sichere Datenübertragung, Einbindung von Sensoren und Aktoren, Vernetzung von Maschinen über das Internet und Kryptographie möchte man mit dem FP Secure Gateway heben. Er stellt ein neues Marktsegment für FP dar und zielt auf Industrieunternehmen, die bestehende Anlagen oder Maschinen sicher ins Internet-of-Things-Zeitalter bringen wollen. Ob daraus eine Produktlinie entstehen kann oder man eine Art Design-in Dienstleistung für Kundenprodukte übernehmen wird, ist derzeit unklar.

 

Die unmittelbar vor der Hauptversammlung bekanntgegebene Übernahme des kleinen Berliner Unternehmens Tixi.com zeigt aber, dass man es ernst meint. Tixi soll laut Aussagen auf der Hauptversammlung in 2018 bei einem Umsatz von ca. 2 Mio. Euro den Break Even erreichen. Das Unternehmen liefert Gateways für Smart Metering sowie IPS-Steuerungen und ist somit zuvorderst Hardware-Lieferant. Seine Kunden kommen zum Beispiel aus der Branche Energieversorger und -dienstleister. Typische Anwendungsfelder sind die Störungsmeldung, Anlagenüberwachung und Fernwartung. 

 

Die Gateways beider Unternehmen ergänzen sich und Tixi kann vom finanziellen Spielraum und der Größe von FP profitieren. FP spart sich hingegen die Entwicklungskosten für die Anbindung von SPS-Steuerungen verschiedenster Hersteller, bringt seine Hochsicherheits-module Kunden aus anderen Branchen nahe und verstärkt sein Entwicklungsteam personell. Im günstigsten Fall ergeben sich so Chancen für gemeinsame, größere Projekte und der FP Secure Gateway wird von einem Muster zu konkreten Produkten.

 

Auch hier muss man natürlich die Frage stellen, wann sich das in den Unternehmenszahlen bemerkbar machen kann, wenn man von niedriger Basis startet. Bekannt ist zum Beispiel, dass der Markt für Router und Gateways "Made in Germany" seit dem NSA-Skandal in 2013 dynamisch wächst. Lancom Systems, ein Hidden Champion aus Aachen, der Hardware und Netzwerklösungen für Geschäftskunden und den öffentlichen Sektor produziert, konnte in den vergangenen Jahren gegen die Konkurrenz der großen Anbieter wie Cisco und Juniper Networks zweistellig mit 15 bis 20 Prozent jährlich wachsen.

 

Insofern sehe ich ein realistisches, aber anspruchsvolles Ziel für den Umsatz durch digitale Produkte wie FP-Sign und die IoT-Gateways bis 2020 bei 10 bis 15 Mio. Euro, was im Vergleich zu 2018 immer noch ein Verfünf- bis Verachtfachung bedeuten würde. Wie der Vorstand Sven Meise zu seinem Ziel von 30 Mio. Euro kommt (Seite 13 der HV-Präsentation) erschließt sich mir nicht, vielleicht weiß er ja mehr oder hat einen Großkunden bereits an der Angel. Lancom Systems benötigte zum Erreichen der Umsatzmarke von 50 Mio. Euro übrigens 14 Jahre.

 


Vergebene Chancen, neue Erwartungen

 

In 2017 hat FP sich besonders bemüht, die eigene Marke bekannt zu machen und gleichzeitig die Investor Relations Arbeit zu intensivieren. Die Aktionäre bemerken das vor allem durch einen Vielzahl von Pressemitteilungen zu Produkten, Kooperationen und strategischen Partnern. Für ein kleines Unternehmen wie Francotyp Postalia zählt dabei jeder kleine Meilenstein: egal, ob es um die Partnerschaft mit der Bundesdruckerei geht (Link) oder dass man Technologiepartner von Amazon Web Services wird (Link).

 

Der Geschäftsbericht, der sich im ersten Teil mit Mythen und Helden beschäftigt, ist dabei vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. FP als Marke zu positionieren, geht aber nur via das Erzeugen von Aufmerksamkeit. Die Kommentare in sozialen Medien waren oft kritisch bis abweisend. Privatinvestoren erwarten wohl weniger Visionen und blumige Worte, sondern Klartext und dass man in einer Meldung zum Punkt kommt: Was war positiv und was war negativ, dargestellt auf vergleichbarer Basis, übersichtlich und ohne Beschönigung. Wenn zum Beispiel von währungsbereinigten Größen die Rede ist und dieses Thema wiederkehrt, sollte man die Zeit des Lesers schätzen und gleich eine Tabelle mit der Bereinigung für Vorjahr und aktuelles Jahr für die wichtigsten Kennzahlen liefern. Wiederholt sich im Text immer wieder "bereinigt", so hinterläßt das eher einen negativen Eindruck.

 

Für Francotyp Postalia waren zuletzt die negativen Währungseffekte für das Kerngeschäft Frankiermaschinen auf Umsatzebene mit -2,1 Mio Euro (2017) und -2,3 Mio Euro (2016) ähnlich groß und auf EBITDA-Ebene finden sich -1,2 Mio Euro (2017) und -1,1 Mio Euro (2016) im Geschäftsbericht. Natürlich war das ein Gegenwind, sollte aber nicht so im Vordergrund stehen.

 

Wenn man "aus einer Position der Stärke agiert" (Zitat aus der Rede des Vorstands-vorsitzenden) darf man auch positiv formulieren. Beispielsweise, dass das EBITDA um nur 0.9 Mio Euro zurückging vor dem Hintergrund der um 2,5 Mio auf 3,5 Mio Euro gestiegenen Aufwände für ACT. Den weiteren, belastenden Sondereffekten in Höhe von -1,5 Mio Euro (die erwähnten Unregelmäßigkeiten bei Mail Services -0,6 Mio Euro und wahrscheinlich sinnvolle Kosten für die Konzentration der produktionsnahen Bereiche in Wittenberge -0,9 Mio Euro) stand eine  Ausbuchung von verjährten Verbindlichkeiten in Höhe von +2,8 Mio. Euro gegenüber.

 

Schaut man sich den Geschäftsbericht 2016/17 und die aktuellen Quartalsmitteilungen an, so fällt auf, dass aber immer noch die gleichen Textbausteine verwendet werden, nur mit geänderten Zahlen. Dort hinein werden dann irgendwie ACT, Jump und die Sondereffekte formuliert, was die Lesbarkeit erschwert. Hier, hoffe ich, wird man demnächst den Korrekturstift ansetzen und im Sinne einer klaren Kommunikation kürzere Formulierungen und übersichtlichere Darstellungen finden.

 

Diese Erwartung habe ich auch gegenüber Dr. Joachim Fleϊng, dem Head of IR und Nachfolger von Sabina Prüser, geäußert. Er zeigte sich aufgeschlossen, selbstkritisch und war insgesamt mit dem Verlauf der Hauptversammlung zufrieden.

 

Diskussionsbeiträge und Fragen kamen von der DSW und SDK wie üblich. Aber auch die Investoren Lange und Hiss äußerten sich kritisch und hinterfragten zum Beispiel, warum Pitney Bowes das Geschäftsgebiet großer Frankiermaschinen verkauft, wie sich die voraussichtliche Erhöhung des Briefportos auswirken wird und warum in 2017 der Aufsichtsratsvorsitzende Anteile von FP verkauft hat.

 

Die letzte Frage zeigt, dass auch mancher Profi weder im Bundesanzeiger recherchierte noch den vorab zur Verfügung stehenden Geschäftsbericht gelesen hat (Seite 165). Dort heißt es nämlich, dass lediglich eine außerbörsliche Umplatzierung von Aktien stattfand, von 3R Investments zu Active Ownership Fund - beide zuzurechnen Klaus Röhrig. Die Antwort des Aufsichtsratsvorsitzenden auf der HV stellte das zwar klar, vergab aber die Chance, eine Brücke zu bauen zu Michael Lange und den Investoren der Saltarax GmbH.

 

Während sich die IR-Abteilung bemüht, die "Defizite bei der Ansprache institutioneller Investoren" zu beheben und Fortschritte vermeldet wurden (eine Antwort in der Debatte), sind solche grundlegenden Dinge missverstanden worden! Die FP und der AR sollten glücklich sein, mehrere Investoren mit 3% Paketen zu haben. Und eigentlich sollte man es schaffen, diesen Punkt vor einer HV auszuräumen ...

 

Genauso unverständlich bleibt es dem Privatinvestor, wie der Vorstandsvertrag von Thomas Grethe gehandhabt wurde. Dass er zum 30.06.2018 auslaufen würde, konnte man im GB 2016 bereits lesen. Erste Gespräche, wie und ob er verlängert würde, sollten spätestens zu Beginn des Jahres stattgefunden haben. Die Mitteilung zu seiner Demission wurde dann erst am 25.05. publiziert und hat vermutlich nicht nur die Aktionäre überrascht.

 

Das geht deutlich besser. Insofern verwundert es auf den zweiten Blick nicht wirklich, dass bei der Frage der Entlastung des AR immerhin 31% Gegenstimmen registriert wurden.

 


Fazit

 

Insgesamt war die Hauptversammlung ein Schritt in die richtige Richtung. Der Vorstand bemühte sich, das Vertrauen der Aktionäre in die neue Strategie und in eine erfolgreiche Transformation des Unternehmens wiederherzustellen.

 

Bereits frühzeitig - mit der Quartalsmitteilung Q1/18 - wurden auch die Karten auf den Tisch gelegt, dass man in 2018 beabsichtigt 6 bis 8 Mio. Euro für ACT aufzuwenden, nach 3.5 Mio Euro in 2017. Daher sollten die Investoren gewarnt sein, dass das EBITDA in 2018 nochmals im Vergleich zum Vorjahr sinken wird. Die Hoffnung ist natürlich, dass damit auch die Effizienz-Steigerung und Kosten-Senkung schneller eintritt. Aber garantiert ist das nicht.

 

Wenn man einen negativen Punkt finden will, dann ist es das Fehlen von konkreten Zahlen und Belegen, aus welchen Maßnahmen die Steigerung der EBITDA-Marge in den nächsten Jahren resultiert. Andere Unternehmen kommunizieren in solchen Fällen detaillierter.

 

Trotzdem ist eine Unternehmensbewertung mit dem 4.5-fachen EV/EBITDA-Multiple (vor irgendwelchen Bereinigungen für Währungseffekte oder die Kosten der Transformation) das genaue Gegenteil von teuer. Daher könnte die Aktie auch um 3,50 Euro ihren Boden gefunden haben. Ich erwarte allerdings, dass der Markt in den nächsten 6 bis 12 Monaten nicht mehr bereit ist, Startup-Fantasie oder Vorschusslorbeeren einzupreisen. Zukünftig wird die EBIT-Entwicklung und der erzielte Gewinn je Aktie die Kursentwicklung dominieren und das was abgeliefert und nicht was versprochen wird.

 

Und das ist ja eigentlich auch ein gutes Schlusswort: Auf der Hauptversammlung gilt das gesprochene Wort. An der Börse gelten langfristig nur Tatsachen.

 

 

(c) 2018 Covacoro

 



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Kommentare: 1
  • #1

    Prof (Sonntag, 03 Juni 2018 22:12)

    Danke für diesen ausführlichen Bericht. Aus (meiner) Chartsicht stellt sich die Lage nach wie vor recht klar dar: 4-Jahrestief und somit ein klares Sell!
    Viel Erfolg natürlich trotzdem von meiner Seite.