· 

Covacoros Bücherpaket Juli 2018: Horizonterweiterung

 

Heute möchte ich drei Bücher vorstellen, die ich im Mai und Juni gelesen habe, um meinen Horizont zu erweitern. Oder ich könnte auch sagen: drei Titel, die man nicht unbedingt auf meiner Leseliste erwarten würde.

 

Das erste Buch Stocks on the Move* von Andreas Clenow beschäftigt sich mit einer Momentum-Strategie. Das heißt mit dem Investieren in Aktien nach charttechnischen Kriterien. Dabei bin ich bekennender Fundamental- und Value-Anleger, insofern also fremdes Revier für mich.

 

Aber über den Tellerrand schauen schadet nicht und wer den namensgebenden Artikel meines Blogs gelesen hat, weiß, dass ich versuche eine eigene Strategie durch Kombination verschiedener Ideen und Faktoren zu generieren.

 

Das zweite Buch knüpft an mein Interesse für Wirtschaft und Politik an und ist der Bericht von Yanis Varoufakis über die Griechenlandkrise. In Die ganze Geschichte* geht es richtig zur Sache und der Blick hinter die Kulissen aus der Sicht eines Griechen sollte mir helfen, mein kritisches Denken zu schulen: Ganz so, wie es das hier ausführlich rezensierte Buch von Daniel Levitin fordert.

 

Last but not least, bin ich beim Stöbern in der Bibliothek auf ein Buch von Axel Hacke gestoßen. Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen* ist sein etwas sperriger Titel. Geht es Ihnen auch so, dass Sie das Gefühl haben, dass Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten immer verbissener geführt werden? Dass man sich wundert, wie Mitmenschen miteinander umgehen? Insofern traf der Titel auf ein offenes Ohr bei mir.

 

Drei Bücher abseits der sonstigen Leseliste: los geht's!

 

 


STOCKS ON THE MOVE

Durchgängig positiv überrascht hat mich das Buch von Andreas Clenow: Stocks on the Move*.

Das liegt zum einen am angenehmen Schreibstil des Autors und zum anderen daran, dass die Diskussion der vorgestellten Momentum-Strategie hier mit der nötigen Tiefe und Praxis-Bezogenheit stattfindet.

 

Er erklärt den Momentum-Effekt nachvollziehbar und räumt ein, wo die Schwachpunkte und Probleme über verschiedene Börsenzyklen liegen. Er legt wert auf einen systematischen und disziplinierten Ansatz, wie es auch die Fundamentalinvestoren tun, und legt gleich zu Beginn in einem eigenen Kapitel dar, warum Trendfolge mit einzelnen Aktien nicht funktioniert.

 

Er klärt auf, warum Stopp-Loss-Strategien in sich verändernden Märkten so schlecht funktionieren und bietet eine Alternative an. Seine Ausführungen zum Money-Management und Portfolio-Risiko sind nicht neu, enthalten aber viele gute Ideen.

 

Last but not least wirft er nicht einfach einen Backtest der Strategie in den Ring, sondern zeigt, was sich von 1999 bis 2014 ereignete, wenn man nach ihr gehandelt hat. Sehr nachvollziehbar und im Detail: die Käufe und Verkäufe, wie das Portfolio jeweils ausgehen hat, welche psychologischen Herausforderungen und Rückschläge zu meistern waren. Außerdem analysiert er, wie stark die einzelnen Zutaten der Strategie das Endergebnis beeinflussen.

 

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch!

 

 


DIE GANZE GESCHICHTE

Das zweite Buch von Yanis Varoufakis trägt den Titel Die ganze Geschichte*.

 

Es kommt auf stolze 650 Seiten und ist die minutiöse Aufzeichnung, was er bei den Verhandlungen mit der Troika erlebte.

 

Schonungslos wird offengelegt - zum Teil anhand von Telefonmitschnitten - was sich hinter den Türen während der sogenannten Euro-Krise abspielte, die eigentlich eine Bankenkrise war.

 

Ob man als Insider oder Outsider behandelt wird, hängt dabei davon ab, ob man die offizielle Sprechweise und Argumentation übernimmt. Egal ob sie stimmt, egal ob es bessere Alternativen gibt.

 

Das Buch dokumentiert daher das Versagen der EU und der handelnden Personen beim Ringen um eine Lösung. Es ist sicher ein Stück Zeitgeschichte. Selbst wenn man dem Autor unterstellen darf, dass er seine Rolle etwas zu positiv darstellt. Wie die Rezension auf zeit.de im Fazit zusammenfaßt, spielte Deutschland dabei eine eher unrühmliche Rolle:

 

"Im privaten Gespräch konnte Varoufakis Lagarde, Moscovici und viele andere überzeugen. Sie stimmten ihm zu, dass sein Programm für Griechenland vernünftig, machbar und sinnvoll sei. Aber wenn es zum Schwur kam, fielen sie alle um.

 

Denn im Hintergrund stand Wolfgang Schäuble, der mächtige deutsche Finanzminister, der an Griechenland ein Exempel statuierte, um – so deutet es Varoufakis an einigen Stellen an – Frankreich zu mahnen. Schäuble hatte die europäischen Finanzminister im Griff. Keiner wollte sich mit ihm anlegen. Europa aber funktioniert so nicht." (Hervorhebung durch mich).

 

Daher ist sein Buch so wichtig und seine Bedeutung geht über den Fall Griechenland hinaus. Wer sich für Politik interessiert, dem kann ich das Buch empfehlen.
 


ÜBER DEN ANSTAND

Axel Hacke ist eigentlich Kolumnist der Süddeutschen Zeitung und sein Buch* kommt eher als Essay, als sprudelnder Redestrom, daher.

 

Er versucht darin den Dreisprung: Analyse, Reflexion und Ableitung von Handlungsempfehlungen.

 

Dazu werden Fakten und Beobachtungen aus dem Alltag aufgezählt, die belegen sollen, wie sehr Lüge, Rücksichtslosigkeit und unanständiges Verhalten in unserem Land zunehmen.

 

Danach stellt der Autor sich im Wesentlichen zwei Fragen: Was bedeutet das für jeden Einzelnen? Wie wird sich das Zusammenleben verändern?

 

In Zwiegesprächen mit einem Freund sucht er nach einer Antwort und gleichzeitig nach einem Weg, die Lage zum Besseren zu verändern. Um es vorwegzunehmen: eine überzeugende Lösung findet auch Axel Hacke nicht. Viel mehr legt er uns nahe, dass bereits darüber nachzudenken und achtsamer in der eigenen Kommunikation zu sein, der erste Schritt in die richtige Richtung ist.

 

Denn wer sich Gedanken macht, ob er sein Gegenüber verletzen oder beleidigen könnte, hat erkannt, dass Respekt und Toleranz derzeit zu oft auf der Strecke bleiben. Anstand mag als Begriff altmodisch erscheinen, anständiges Handeln ist es nicht und heute so nötig wie in der Vergangenheit.

 

Ein Buch zum Nachdenken und Verschenken.

 

Insgesamt war dieser Leseausflug für mich sehr bereichernd und vielleicht ist ja auch für meine Leser ein Buch dabei, dass sich als Urlaubslektüre anbietet.

 

(c) 2018 Covacoro


Früher erschienene Buch-Rezensionen auf Covacoro.de finden Sie hier:  Link

 

Sollten Sie sich für eines der vorgestellten Bücher interessieren, so ist der Kauf bei Amazon über die Links im Artikel (gekennzeichnet durch einen Stern) oder durch Klick auf das Cover für Sie nicht teurer, ich erhalte allerdings eine kleine Werbe-Vergütung, wenn Sie diese nutzen.

 

Vielen Dank für die Unterstützung des Blogs.

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Prof (Montag, 02 Juli 2018 20:22)

    Drei durchaus lesenswerte Bücher:
    - Stocks On The Move für mich als Chartie hochinteressant
    - Die ganze Geschichte mal aus einer anderen Perspektive
    - Über den Anstand - er beginnt im Kleinen, er wird uns aber auch in Politik, Journalismus und Wirtschaft kaum noch vorgelebt.

  • #2

    Prof (Dienstag, 03 Juli 2018 12:48)

    Habe mir für Stocks On The Move für als Strandlektüre geholt!

  • #3

    Prof (Sonntag, 05 August 2018 20:40)

    Das Buch "Stocks On The Move" war spannend zu lesen. Der größte Vorteil der Strategie ist, dass sie völlig automatisiert und unemotional erfolgen kann.

    Im Buch werden die Aktien des S&P 500 von 1999 - 2014 nach diesem Prinzip beackert:
    - Kauf momentumstarker Aktien mit relativ geringer Volatilität
    - Verkauf bei nachlassendem Momentum
    - Keine Reinvestition des Geldes, wenn sich der S&P 500 unter seinem GD 200 befindet. Aber - und das ist sehr wichtig - auch keine Shortexperimente unter dem GD 200.

    Die Strategie funktioniert sehr gut. Der größte Teil der Outperformance zum S&P 500 ist allerdings der letzten Regel geschuldet: Also kein Kauf unter dem GD 200 des S&P 500. Somit wurden die Baissen um 2002 und 2008 vermieden.

    Nachteile:
    - Die Umsetzung ist relativ teuer, man benötigt praktischerweise einen Taipan EoD Account.
    - Wenn man sich an die Kaufsperre unterhalb des GD 200 hält, kann man die Performance wohl auch mit anderen Strategien erreichen.
    - Es fehlt der Nervenkitzel. ;-)