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Catching the Frisbee - vom Wert der Faustregel

By Lucie Schönová, CC BY 3.0 via Wikimedia
By Lucie Schönová, CC BY 3.0 via Wikimedia

Warum können Hunde Frisbees fangen?

 

Die Antwort ist einfach, wie in vielen

anderen Bereichen der komplexen Entscheidungsfindung.

 

Oder besser gesagt:

Die Antwort ist, es einfach zu halten.

 

Vom Wert der Faustregel.


 

Einen Frisbee zu fangen, ist schwierig. Um erfolgreich zu sein, muss der Fänger ein komplexes Gleichungssystem physikalischer und atmosphärischer Faktoren lösen, darunter Frisbee-Rotation und Windgeschwindigkeit.

 

Würde man einen Physiker beauftragen, das erfolgreiche Fangen mathematisch zu beschreiben, würde er unter anderem Newtons Gesetze der Schwerkraft verstehen und anwenden müssen.

 

Doch trotz dieser Komplexität werden Frisbees bemerkenswert häufig gefangen.

Empirisch wissen wir ebenfalls, dass es dafür gerade keinen Doktor der Physik benötigt.

 

Es ist eine Aufgabe, die ein durchschnittlicher Hund meistern kann. In der Tat: Einige Rassen, wie beispielsweise die Border Collies, sind darin besser als Menschen.

 

Also: Was ist das Geheimnis des Erfolgs?

 

Die Antwort ist einfach, wie in vielen anderen Bereichen der komplexen Entscheidungs-findung. Oder besser gesagt: Die Antwort ist, es einfach zu halten.

 

Studien haben gezeigt, dass der dem Frisbee hinterher jagende Hund einer einfachen Faustregel folgt. Er läuft mit einer Geschwindigkeit, so dass sein Blickwinkel auf den Frisbee in etwa konstant bleibt. Menschen folgen einer identischen Faustregel.

 

Eine Erfolg versprechende Aktie an den Finanzmärkten zu finden erscheint schwierig. Um erfolgreich zu sein, muss der Anleger ein komplexes Gleichungssystem ökonomischer und psychologischer Faktoren lösen, darunter die Bewertung des Unternehmens, die Einschätzung des Aktienkurses und der Börsenstimmung.

 

Würde man einen Ökonomen beauftragen, eine Anlageempfehlung mathematisch zu beschreiben, würde er neben einem Modell der Unternehmensentwicklung auch die Psychologie der Anleger verstehen und beides vorhersagen müssen.

 

Doch trotz dieser Komplexität können auch Privatanleger erfolgreich in Aktien investieren. Empirisch wissen wir ebenfalls, dass es dafür gerade keinen Doktor der Mathematik benötigt.

 

Es ist eine Aufgabe, die ein durchschnittlicher Mensch bewältigen kann. In der Tat: Einige Anleger sind in der Lage, immer wieder in Aktien investiert zu sein, die die durchschnittliche Indexentwicklung weit übertreffen.

 

Also: Was ist das Geheimnis des Erfolgs?

 

Die Antwort ist einfach, wie in vielen anderen Bereichen der komplexen Entscheidungs-findung. Oder besser gesagt: Die Antwort ist, es einfach zu halten. 

 

Studien haben gezeigt, dass erfolgreiche Anleger einfache, aber robuste Faustregeln aufstellen und nutzen:

  • Sie folgen einer langfristigen Strategie und setzen sich realistische Ziele.
  • Sie kontrollieren ihre Entscheidungen und korrigieren Fehler.
  • Sie sind sich ihrer Emotionen bewußt und der psychologischen Fallstricke.

Um im Bild zu bleiben:

 

Diese Anleger beschäftigen sich mit dem Prozess des Frisbee-Fangens und trainieren ihre Fähigkeiten darin. Dazu gehört festzulegen, welche Frisbees man vorbeifliegen läßt und welche man jagen will. Dazu gehört, die eigene Sprungkraft und Ausdauer zu kennen. Dazu gehört, einen Frisbee, der sich als fliegende Radkappe entpuppt, wieder loszulassen. Dazu gehört, sich vor dem Sprung zu überlegen, wo man nach dem Catch landen wird.

 

Wie weit der Frisbee noch tragen wird, also ob sich das Unternehmen und der Aktienkurs gut entwickeln, kann man sowieso nicht prognostizieren. Es reicht ein Windstoß oder plötzlich einsetzender Hagel, um den Frisbee unsanft zu Boden zu befördern.

 

Aber nach einem Frisbee zu springen, der bereits in Schieflage ist oder dessen Flugbahn extrem instabil wirkt, würde man sich ersparen. Insofern dient die Heuristik also einerseits dazu, seine Lähmung zu überwinden, die man aufgrund der Komplexität der Materie verspüren kann und dazu "gesunde" Flugbahnen von Frisbees zu identifizieren. 

 

Gerade die Finanzindustrie stellt Investieren meist als ungeheuer komplex und aufwendig dar. Dabei sollte klar sein: Wir wollen nur mitfliegen.

 

Kaufen Sie eine hinreichend große Zahl von Aktien und Sie haben immer ein paar Überflieger und Bruchpiloten dabei. Erkennen Sie nur 10% der unsicheren Kandidaten vor dem Bording, ist die Erfahrung in Summe schon angenehmer. Haben Sie einen Fallschirm dabei und verlassen weitere 10% der Bruchpiloten rechtzeitig, sorgen die Überflieger für ein insgesamt noch erfreulicheres Ergebnis.

 

Catching the frisbee eben, nur an den Finanzmärkten.

 

Zwischen gar nicht springen und immer springen gibt es einen vernünftigen Mittelweg.

Viel Erfolg!

 

Covacoro (c) 2019


 

P.S. Die Idee zu diesem Artikel verdanke ich einer Veröffentlichung von Andrew G. Haldane, Ökonom bei der Bank of England. Der 1. Abschnitt ist eine fast wörtliche Übersetzung seiner Einleitung, wobei es aber in seinem Artikel um die Finanzkrise geht, wie man solche Krisen zukünftig vermeiden und erkennen kann, wie man Banken und Finanzinstitutionen kontrollieren und überwachen sollte. Das Paper wurde vor einigen Jahren auf dem Meeting der Notenbanken in Jackson Hole, USA vorgestellt. Diesen Artikel habe ich erstmals vor 4 Jahren auf www.der-privatanleger.de als Gastbeitrag veröffentlicht. Eine zweite Version mit Überarbeitung erschien 2016 bereits in diesem Blog. Nun also die dritte Version.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Prof (Sonntag, 14 Juli 2019 10:18)

    Ein sehr unterhaltsamer kurzweiliger Artikel. Die Finanzindustrie hebt ja auch deshalb die Komplexität der Aktienanlage so gern hervor, damit man bitte nicht selbst in Einzelwerte investiert. In den angelsächsischen Ländern ist das jedoch normal.