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Drei einfache Fragen

Es gibt viele Strategien an den Kapitalmärkten und so verwundert es nicht, wenn mancher sich schwer tut, eine Auswahl zu treffen.

 

Es werden fleißig Artikel und Bücher gelesen, Vor- und Nachteile abgewogen und die Selbst-optimierung treibt fröhliche Blüten. Vielfältige und teils widersprüchliche Informationen zu erhalten, war noch nie so einfach wie heute.

 

Trotzdem nagt bei vielen Anfängern weiter der Zweifel, ob man denn die beste Strategie gefunden hat. Fehler machen und Lehrgeld bezahlen, das will man möglichst vermeiden. Eine hohe Rendite mit dem Risiko des Sparbuchs erzielen: bitte gern.

 

Besonders knifflig bleibt die Frage, ob aktives Investieren für einen selbst in Frage kommt. Lohnt sich der Aufwand? Sollte man es probieren? Trotz der bekannten Fallstricke und trotz der allgegenwärtigen Statistik, dass nur wenige besser abschneiden als der Markt?

 

Mein Antwort darauf: Das kommt ganz auf Ihre Persönlichkeit an. Bevor Sie Ihre Entscheidung davon abhängig machen, was Andere schreiben, denken oder tun, schauen Sie zurück und stellen sich drei einfachen Fragen. Wer weiß, vielleicht schlummern ja in Ihnen auch die Gene eines Value-Anlegers?

 


DER MENSCH IST EIN GEWOHNhEITSTIER

 

Und hier sind die vermeintlich börsenfernen Fragen, über die Sie bitte nachdenken:

  1. Was ist Ihr liebstes Hobby und wie lange und intensiv betreiben Sie es?
  2. Welches Auto fahren Sie und warum?
  3. Wenn Sie wählen könnten: Mieter oder Käufer?

Sinn und Zweck: über sich selbst nachdenken und reflektieren. Ihre Antworten haben vorder-gründig nichts mit den Kapitalmärkten zu tun oder mit einer bestimmten Strategie. Ehrlich beantwortet offenbaren sie aber, wie man "tickt", dazu gleich mehr. 

 

Ich bin der festen Überzeugung, dass niemand an der Börse einfach den Hebel umlegen kann und anders agiert als im typischen Alltagsleben. Ich würde sogar sagen, dass vorhandene Anlagen und Charakterzüge verstärkt werden.

 

Während die ruhigen und sonnigen Börsenphasen das vielleicht maskieren, holt es uns bei Kursrückgängen oder Crashs ein. Wer seine Risikobereitschaft überschätzt hat, wird vielleicht gerade am Tiefpunkt entnervt verkaufen. Und alles theoretische Wissen um die langfristigen Renditen und positive Entwicklung der Märkte tritt plötzlich ganz in den Hintergrund und nur der Bauch regiert. Daher zurück zu den eingangs aufgeworfenen drei Fragen und was uns die Antworten verraten könnten.

 


PUZZLESTEIN 1

 

Die erste Frage "Was ist Ihr liebstes Hobby und wie lange und intensiv betreiben Sie es?" beschäftigt sich mit wesentlichen Zutaten für Ihren Lebensweg: Motivation, Durchhalte-vermögen, Lernbereitschaft. 

 

Wenn man bereit ist, in ein Hobby Zeit zu investieren - ohne finanzielle Vergütung - und über längere Zeit am Ball bleibt, kann das ein Hinweis sein, dass die "Do-it-Yourself" Methode auch bei der Geldanlage funktionieren kann.

 

Durchhaltevermögen werden Sie benötigen, egal ob man sich für einen aktiven oder passiven Anlagestil entscheidet. Denn man sollte nicht meinen, dass an der Börse ständig das gleiche Lied gespielt wird und Wissen nicht veraltet.

 

Wenn man also ein Hobby hat - egal welcher Art - wo man eine gewisse Meisterschaft erlangt hat, kontinuierlich dazulernt und sich selbst motiviert, ist das sehr gut. Apropos zeitlicher Aufwand: Schätzen Sie bitte ehrlich ein, woher die Zeit kommen soll, die für Ihre Strategie nötig ist. Wie oft hört man: "Damit will ich mich auch mal wieder beschäftigen" und geworden ist daraus nichts.

 

Außerdem fragen Sie sich bitte, wieviel Entscheidungskraft Sie aufbringen können und wollen. Selbst wenn da am Abend oder Wochenende noch Zeit wäre, hat jeder Mensch nur ein begrenztes Reservoir. Wer dies im Job belastet und ausschöpft, sollte dies erkennen und sich nicht ständige Entscheidungen in Punkto Geldanlage auferlegen.

 


 

Man beachte seine überwiegende Eigenschaft

 und verwende auf diese allen Fleiß.

 

Baltasar Gracián y Morales

 


PUZZLESTEIN 2

 

Bei der Frage "Welches Auto fahren Sie und warum?" haben Sie vielleicht geschmunzelt, schließlich ist die Liebe der Deutschen zu ihrem Gefährt sprichwörtlich. Ist das Auto hauptsächlich Fortbewegungsmittel, Lustobjekt, Statussymbol oder von allem etwas? Wie nimmt man sich selbst damit wahr und was denkt man über seine Außenwirkung?

 

Die Antworten darauf schlagen eine Brücke zur Geldanlage, mit der man sich nach innen und nach außen wohlfühlen sollte. Wer hauptsächlich den Kick und das Prestige sucht, für den sind langweilige Value-Aktien oder Small Caps (Nebenwerte) von denen die meisten Leute noch nie etwas gehört haben nichts.

 

Ein ETF auf den DAX oder S&P500 ist vielleicht so sexy wie ein VW Passat, der Benziner ;-). Wer sich überhaupt nicht darum schert, was andere Leute über sein Auto denken, solange es ihn ans Ziel bringt, könnte auch stark genug sein, konträr zur Herde und dem Börsentrend Aktien zu kaufen.

 

Mit einer Strategie fokussiert auf Value-Aktien oder auf niedrige Volatilität kann man zu keiner Zeit prahlen: Zwar verliert man hoffentlich in Baisse-Phasen weniger als der Markt, dafür steigt man in der Hausse aber ebenfalls weniger stark. Die meisten Value-Anleger erreichen langfristig gute Renditen, die einen Tick über dem Index liegen, aber spektakulär sind sie nicht. Damit muss man klarkommen.

 

Wer sein Auto zwanghaft mit dem des Nachbarn vergleichen muss und diesen Punkt beim Kauf berücksichtigt, wird in der Welt der Geldanlage sicher ständig die Rendite des eigenen Depots gegen den Index und andere Anleger vergleichen. Daraus entsteht oft Handlungs-Druck genau zum falschen Zeitpunkt.

 

Und wieviel Zeit verwendeten Sie darauf, das letzte Modell auszuwählen und mit den gewünschten Zusatzausstattungen zu versehen? War Ihnen eine gute Lösung genug und auch in der Folge angenehm? Oder wären Sie nur dann mit dem Kauf zufrieden, wenn vorher die Analyse ausgefeilt war? Wenn Ersteres der Fall war: Glückwunsch, das vereinfacht auch die Wahl der Strategie bei der Geldanlage.

 


 

Ein guter Rat in spaßiger Form ist oft

besser als ernste Belehrungen.

 

Baltasar Gracián y Morales

 


PUZZLESTEIN 3

 

Zunächst: Kompliment! Fast zwei A4 Seiten gelesen und noch immer neugierig.

 

Aber ernsthaft: Nach Beantwortung der obigen Fragen und etwas Nachdenken entscheiden viele Anleger ohne lange zu überlegen: aktives Investieren in Aktien - das ist nichts für mich. Es gibt keine Anzeichen in meinem normalen Lebensumfeld, dass mir dieser aufwendige Anlagestil zusagen wird.

 

Aber es gibt sie, die Nerds, die sich gerne durch Zahlen wühlen, mit Unternehmen und deren Geschäftsmodell beschäftigen und die sowohl Zeit als auch Entscheidungskraft mitbringen.

 

Sie sammeln Erfahrungen, machen Fehler, bezahlen Lehrgeld. Sie haben auch Erfolgs-momente und fühlen sich im Großen und Ganzen mit Ihren Aktien im Depot wohl. Und genau da kommt die dritte Frage ins Spiel: "Wenn Du wählen könntest: Mieter oder Käufer?" 

 

Denn wir erinnern uns, die letzte Frage im ersten Absatz lautete ja "Schlummern in mir auch die Gene eines Value-Anlegers?". Und dahinter steckt die Frage, ob der Preis einer Aktie im Vergleich zum Wert des Unternehmens angemessen ist.

 

Ein Value-Anleger will nur dann kaufen, wenn er eine Unterbewertung feststellt. Und da muss er rechnen und in Wahrscheinlichkeiten und Szenarien denken. Beantwortet man die Frage mit einem klaren Pro oder Contra Miete oder Kauf, hat man eine sehr eindimensionale Sichtweise.

 

Dann gilt als richtig, was im Durchschnitt richtig ist. Als Geldanlage war der Kauf einer Immobilie in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren etwa genauso oft erfolgreich, wie es Einzelaktienanleger schaffen, den Index zu schlagen. Das kann man zum Beispiel bei Gerd Kommer nachlesen.

 

Schaut man auf die Daten der letzten 5 Jahre, vor allem in den Ballungsräumen, kommt man zu einer völlig anderen Aussage. Die Anlage in Immobilien war sehr lukrativ.

 

Gibt es also Strategien, die einen Immobilien-Investor erfolgreicher machen als den Marktdurchschnitt? Selbstverständlich. Gibt es Grund zur Annahme, dass Value-Strategien langfristig besser als der Marktdurchschnitt abschneiden können? Selbstverständlich.

 

In beiden Fällen gibt es aber keine Garantie, das dies so bleibt. Sondern es handelt sich immer um Analysen historischer Daten. Also ist es doch viel wichtiger zu wissen, ob die jeweilige Strategie zu einem paßt, als darauf zu schielen, dass die Rendite in der Vergangenheit besonders erfreulich war, oder?

 

Würde ein Value-Anleger, der in eine neue Stadt kommt, eine Wohnung kaufen egal wie hoch das aktuelle Preisniveau ist? Vermutlich nicht, denn sein Denkmodell an der Börse ist es ja, dass Preis und Wert voneinander verschieden sein können. Daher würde er dieses Modell vermutlich auf den Immobilienmarkt übertragen und anwenden.

 

Aber und deshalb finde ich diese Frage so Klasse: Wer in der Lage ist, diese Situation differenziert zu bewerten und sich eine eigene Meinung zutraut, trägt bereits ein Körnchen Value-Anleger in sich. Er "tickt" anders und ist bereit danach zu handeln, statt einfach mit dem Strom zu schwimmen.

 

Damit kommen wir zum Schluß. Lohnt sich der Aufwand, eine eigene Strategie zu entwickeln und zu verfolgen? Ich denke ja, wenn man über die Rendite des Depots als alleinige Kennzahl hinaussieht.

 

So stellen aktive Anleger fest, dass Ihr Wissen zu Unternehmen und ökonomischen Denkmodellen wertvoll ist, da es auf andere Lebensbereiche ausstrahlt. Es hilft beispielsweise, bessere Entscheidungen zu treffen. 

 

Und passive Anleger berichten vor allem davon, dass seit Ihrer Entscheidung für die passive Strategie endlich Ruhe eingekehrt ist und Sie keine schlaflosen Nächte mehr wegen Ihrer Altersvorsorge haben. 

 

Die wichtigste Rendite für beide Anlegergruppen ist also, dass die Strategie zu einem paßt und eine Bereicherung des Lebens sorgt. Wie kleinkarriert ist da die Diskussion um 1 oder 2 Prozent mehr oder weniger pro Jahr?

 

 

(c) Covacoro, 2019


 .

Ohne Mut ist das Wissen unfruchtbar.

 

Baltasar Gracián y Morales

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Bergfahrten (Sonntag, 21 Juli 2019 19:59)

    Hallo,

    Danke für diesen tollen Beitrag! Investieren funktioniert nur langfristig wenn es zu einem persönlich passt, man gut damit schläft, gelegentlich Erfolg hat aber fast immer daran Spaß empfindet. Ein bisschen Mut und Selbstvertrauen gehört auch dazu. Bin selbst im 25. Investmentjahr, lerne immer noch und für Spannung sorgt Mr. Market gratis dazu.

    Viele Grüße
    Bergfahrten