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Rezension: Indien Superpower

Ich habe heute das Vergnügen, das Buch Indien Superpower* - Aufstieg einer Wirtschaftsmacht von Michael Braun Alexander vorzustellen.

 

Für Leser, die an Geschichte, Wirtschaft und Börse des Landes interessiert sind, gibt es meiner Meinung nach keine bessere Möglichkeit, sich in das Thema einzulesen.

 

Der Autor war "Mitte 40, glücklich verpartnert, mit einem zutiefst befriedigenden Beruf" als er 2014 beschloss, nach Mumbai zu ziehen und sich vor Ort ein Bild zu machen.

 

Ein Journalist und Autor, der den Mut hat, die Routine in Deutschland hinter sich zu lassen, das macht neugierig! Und dazu bedarf es einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit, wozu sicher seine zahlreichen Bücher und sein Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge beigetragen haben dürften.

 

Ich habe sein Buch Richtig reich* - 20 zeitlose Geldregeln Anfang 2020 gelesen und hier im Blog ebenfalls besprochen. Schon damals fiel mir auf: Der Text war gut recherchiert und lesbar. Aber vor allem war er sachlich und ausgewogen.

 

Immer da, wo ein Wissenschaftler über das Ziel hinausschießt, in seinen Modellen zu stark vereinfacht oder da, wo ein Influencer, Youtube-Star oder Finanzblogger zu stark emotio-nalisieren und vereinfachen möchte, bekam der Autor die Kurve zu einem ausgewogenen Urteil und empfahl einen sinnvollen Mittelweg.

 

Und nun also das Thema Indien und nicht China, werfen wir einen Blick in sein Buch!

 


Warum Indien?

  

Es war März 2019 als die Seite Visual Capitalist eine Infografik veröffentlichte, die mich darauf aufmerksam machte, dass Indien und Indonesien spätestens 2030 eine bedeutende Rolle in der Weltwirtschaft spielen werden. Und zwar hauptsächlich wegen des starken Bevölkerungswachstum in diesen Ländern. China wird seinen Platz 1 behaupten.

 

Und Ende 2018 war ich außerdem über die Tendenz gestolpert, dass in USA, UK und Europa die Zahl der börsennotierten Unternehmen schon mehrere Jahre rückläufig ist. Hingegen wächst in China und Indien die Zahl der börsennotierten Unternehmen und so werden diese Länder fast zwangsläufig ein größeres Gewicht am weltweiten Aktienmarkt beanspruchen.

 

Deutschland fällt in den nächsten Jahren in den Ranglisten zurück und erreicht in der Prognose zum GDP (Bruttoinlandsprodukt) gerade noch so einen Platz unter den Top 10. Und wer hätte gedacht, dass die USA auf Platz 3 abrutschen wird? Hier die dreiminütige, englischsprachige Animation zum Original-Artikel:

 

The Word's Largest 10 Economies in 2030, Quelle: visualcapitalist.com

 

Viele zweifeln diese Prognosen an, gerade was den starken Aufstieg der beiden Nationen auf Platz 2 und 4 betrifft. Denn das Bild, das wir von Indien oder Indonesien haben, ist einseitig. Es sind eben nicht Meldungen über einen Wirtschaftsaufschwung oder Innovationen, die uns zuerst einfallen und die es hier in die Nachrichten schaffen, sondern solche über Armut, Rück-ständigkeit, Konflikte und Umweltprobleme.

 

In seinem Buch - Erscheinungsdatum Juli 2020 - versucht Alexander beide Seiten der Medaille zusammenzutragen und mit der Realität abzugleichen. Wie wird Indien von außerhalb gesehen? Warum ist das so und was ist davon berechtigt oder übertrieben? Welche Entwicklungen gehen im Land vor sich und wo befördern sie Fortschritt und wo Rückständigkeit? Täuscht der erste Blick? Bekommt man das Bevölkerungswachstum in den Griff? Wie entwickelt sich die größte Demokratie der Erde? Welche Unternehmen sind in Indien erfolgreich? All diese Fragen interessierten mich als Leser sehr.


Hier nun die Inhaltsübersicht zum Buch:

  • Vorwort    Ich war dann mal weg ... 
  • Kapitel 1   Indien, eine neue Wirtschaftsmacht
  • Kapitel 2   Who’s perfect? Indiens Image
  • Kapitel 3   Von Kaschmir bis Kolkata und Kerala: das Land, ein Kontinent
  • Kapitel 4   Exkurs: eine Kurzgeschichte Indiens
  • Kapitel 5   Unabhängigkeit und Partition: der Subkontinent nach 1947
  • Kapitel 6   1991: die wirtschaftspolitische Wende – Indiens Neustart 
  • Kapitel 7   Modifizierung und Modernisierung: Indien heute
  • Kapitel 8   Die Unternehmenslandschaft: Masse, Klasse, Schurken, Superstars
  • Kapitel 9   Indien im 21. Jahrhundert: ein Denkmal
  • Über den Autor / Hinweis zum Buch / Anmerkungen

Wie man sieht, die Fragen, die man spontan aufwirft, wenn man obige Prognosen kennt, werden im Buch aufgegriffen. Damit erspart es mir die eine umfangreiche und zeitraubende Recherche im Internet einerseits und gibt Eindrücke und Informationen wider, die der Autor in der Zeit seit 2014 vor Ort sammeln konnte. Das sind zwei große Pluspunkte.

 

Sehr nützlich fand ich ebenfalls den Exkurs in die Geschichte des Landes und des Subkontinents im Kapitel 4 und 5, der hilft die politischen Konflikte und die derzeitige Situation mit Pakistan und Bangladesch besser zu verstehen. Ich fand diese Kapitel von Umfang und Detailliertheit her sehr gelungen.

 

Die Schilderung der Gegenwart, wie man heute in Mumbai oder Delhi leben und seiner Arbeit nachgehen kann, rücken für mich das negative Bild gerade, was man als News-Konsument oder selbst als Tourist vom Land vielleicht haben kann. Hinzu kommen die zahlreichen Statistiken, die einen Blick auf die wirtschaftliche Stärke, die Unternehmen und Konsumenten eröffnen. Die Informationen sind nicht nur breiter, sondern auch tiefer.

 

Alexander stellt die wirtschaftspolitische Wende seit 1991 im Kapitel 6 vor und geht auf bekannte Erfolgsgeschichten ein, wie beispielsweise die Umbrüche in der IT-Industrie mit einhergehendem Outsourcing vieler Dienstleistungen nach Indien sowie der erfolgreiche Ausbau der Infrastruktur an vielen Stellen. Dabei kann Indien mit zwei Faktoren wuchern: den guten Sprachkenntnissen vieler Inder (Englisch) und der hohen Zahl an Absolventen von universitären Bildungseinrichtungen, die gar nicht selten im Ausland weitere Erfahrungen sammeln.

 

Alexander stellt ebenfalls die wirtschaftspolitischen Fehler dar, die die Regierung Modi begangen hat, wie zum Beispiel die schlecht geplante und umgesetzte Abschaffung der 500 und 1000 Rupien Banknoten in 2016. Auch leidet Indien bis heute an Bürokratie und es gibt  ineffiziente, korrupte Verwaltungen. Aber neben diesen negativen Faktoren überwiegen aus Sicht des Autors die positiven Entwicklungen bei weitem.

 

 

 


Mein Fazit

 

Nach der Lektüre von knapp 400 kenntnisreichen und interessanten Seiten lautet mein Fazit, dass die Entwicklungen in Indien mehr Beachtung verdienen. Während China seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts präsent ist, deutsche Unternehmen heute oft mehr als 20 Prozent ihrer Exportumsätze in diesem Land tätigen, wird Indien als aufstrebende Supermacht noch abwartend beäugt und ist in deutschen Medien wenig präsent.

 

Alexanders lesenswertes Buch könnte das ändern. Seine Kernthese ist, dass Indien ein Land der Superlative ist, das sich 1991 neu erfunden hat und wo man nun, knapp 30 Jahre später, deutliche positive Veränderungen bereits erkennen kann. Man muss nur genau hinschauen. Die junge indische Bevölkerung ist seiner Meinung nach in der Lage und Willens, Armut und Umweltprobleme zu überwinden, die Schere zwischen Stadt und Land zu schließen. Bisher sieht es so aus, dass auch die Politik der Regierung diesen Prozess konstruktiv unterstützt.

 

Alexander begründet glaubwürdig, warum daraus wirtschaftliche Macht erwachsen wird und warum man auf indische Unternehmen besonders achten sollte. Auch politisch wird Indien zum Schwergewicht: als Demokratie - trotz allem historischen Ballast aus Kolonialzeit und Partition - die in Asien und weltweit ein entscheidender Gegenpol zu China ist.

 

(c) 2020 Covacoro

 

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß, und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“

Quelle: https://beruhmte-zitate.de/autoren/bertolt-brecht/

 


 

Lebenskunst ist es,

wenn ihr arbeitet, als würdet ihr kein Geld brauchen,
liebt, als hätte euch noch nie jemand verletzt,
tanzt, als würde keiner hinschauen,
singt, als würde keiner zuhören,
lebt, als wäre das Paradies auf Erden zu finden.

 

Indische Weisheit

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Prof (Montag, 26 Oktober 2020 17:18)

    Danke für Deinen Artikel. Die hervorragenden Englischkenntnisse der Inder sind ein in der Tag nicht zu unterschätzender Vorteil. Die Armut ist besonders im Norden extrem hoch, das bringt zwar Lohnvorteile, könnte aber auch die Demokratie zu Fall bringen.