· 

Die Investor Feedback Loop

Osterkorb, Bildquelle: Fotalia, freie Lizenz

Investieren ist ein Marathon-Lauf oder genauer eine ganze Serie davon.

 

Trotz Wissen, Vorbereitung und Training wird man im Verlauf auch vor unerwarteten Krisen und Herausforderungen stehen und manchmal kurz davor sein aufzugeben.

 

 

Oftmals in Folge von Fehlern, wie sich selbst zu überschätzen, seinen eigenen Prognosen zuviel Wert beizumessen oder sich die Kräfte nicht richtig eingeteilt zu haben.

 

Aber: An der Börse geht es nicht um Gewinnen oder als Erster durchs Ziel zu kommen, sondern darum, überhaupt anzukommen und selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Selbst gesteckt möchte ich dabei betonen: Niemand muß die Wertentwicklung eines bestimmten Index zum alleinigen Maßstab für sein Portfolio übernehmen, auch wenn es überall geschrieben und verkündet wird.

 

Im heutigen Artikel geht es also darum, welche Kennzahlen und Statistiken analysiert werden sollten, damit ein Portfolio adequat überwacht wird und ein Lernprozess in Gang kommen kann, damit man den Marathon sicherer und schneller bewältigen kann: ich nenne es die Investor Feedback Loop.

 


KENNZAHLEN SIND wICHTIG

 

Bevor wir uns aber auf die Kennzahlen stürzen, die ich als wichtig erachte und monitore, noch zwei Vorbemerkungen.

 

If you don't keep the score, you are just practising.

Richard Oldfield

 

Das Zitat von Richard Oldfield aus seinem Buch "Simple but not easy" bringt es auf den Punkt: Wer sich nicht die Mühe macht, nachzurechnen und hinzuschauen, wie das Portfolio abgeschnitten hat, verhält sich so, als wäre das Ganze ein Spiel oder nur eine Fingerübung. Das ist es nicht!

 

Zumal der Analyse-Aufwand mit den richtigen Software-Tools relativ klein ist, auch wenn die eigentliche Arbeit erst anfängt, wenn man das Ergebnis schwarz auf weiss vor sich hat und Konsequenzen gezogen werden müssen. Wer der Meinung ist, das kann man sich sparen, er hätte das schon ganz gut im Gefühl, wie er letztes Jahr, die vergangenen 3, 5 oder 10 Jahre abgeschnitten hat, für den ist der nachfolgende Artikel überflüssig. Für alle Anderen gehen wir jetzt in medias res.

 


MEINE TOP 5

 

Die folgenden Zahlen sollte man meiner Meinung nach auf Prozent oder Cent genau für sein Portfolio kennen, berechnen und interpretieren - mindestens einmal im Jahr.

Ich beschränke mich dabei bewußt auf eine Kernauswahl und verzichte auf kompliziert zu berechnende Größen. Trotzdem weiß ich aus Gesprächen, oftmals sind nur zwei oder weniger davon bekannt.

  1. Performance bzw. Rendite des Portfolios im Vergleich zu einer adequaten Benchmark über verschiedene Zeiträume
  2. Volatilität bzw. Schwankungsbreite inkl. maximaler Drawdown vom Höchstkurs im Vergleich zu einer adequaten Benchmark über verschiedene Zeiträume
  3. Direkte und indirekte Kosten des Portfolios (absolut und prozentual)
  4. Portfolioturnover und Mittelzu- bzw. -abfluss (absolut und prozentual)
  5. Prozentuale Aufteilung der Anlageklassen im Vergleich zur Zielgewichtung

Zum Punkt 1 - der Rendite des Portfolios - als wichtige Kennzahl herrscht weitgehend Konsens und mit Hilfe eines Programms wie Portfolio Performance (PP) von Andreas Buchen ist die genaue Berechnung inklusive unterjähriger Ein- und Auszahlungen, Käufen und Verkäufen sowie die Anzeige im Vergleich zu einer Benchmark eine Kleinigkeit. Sofern das Portfolio korrekt eingepflegt wurde, sind beliebige Zeiträume für die Auswertung auswählbar.

 

Womit es häufig hapert, ist die Auswahl einer adequaten Benchmark. Lediglich den MSCI World oder den DAX zu verwenden, ist meiner Meinung nach zu stark vereinfacht. Vor allem wenn man andere Assetklassen im Portfolio hat, wie Anleihen oder Cash, die nicht nur eine andere erwartete Rendite haben, sondern ebenfalls ein anderes Risiko.

 

Prinzipiell hat man zwei Möglichkeiten, dem besser Rechnung zu tragen: Entweder man benutzt eine eigene Benchmark. Ein Investor, der beispielsweise die Allokation 50% Aktien entwickelte Welt, 30% Aktien Entwicklungsländer und je 10% europäische Staatsanleihen und Cash besitzt, sollte die Benchmark in dieser (Start-)Zusammen-setzung berechnen und dem Programm zur Verfügung stellen. Dazu kann er hilfsweise die Tagesschlusskurse der ETFs auf die entsprechenden Indizes benutzen und einmal im Quartal die Daten der eigenen Benchmark ins Programm laden. Nicht vergessen sollte er dabei das regelmäßige, mindestens jährliche, Rebalancieren analog der Regel, die im Realdepot verwendet wird.

 

Die zweite Möglichkeit ist weniger aufwändig, indem man für jede Assetklasse eine individuelle Benchmark nutzt - zum Beispiel den jeweiligen ETF oder Index. Dann kommt man ohne Berechnung des täglichen Benchmark-Wertes aus und kann die Jahres-Rendite als Summe der gewichteten Teilrenditen berechnen und mit dem Gesamtportfolio-Ergebnis vergleichen. Allerdings ist ein Vergleich der Volatilität ebenfalls nur auf der Ebene der Assetklassen möglich und nicht für das gesamte Portfolio. Daher gebe ich der ersten Methode klar den Vorzug.

 

Für aktive Investoren bietet es sich weiterhin an, verschiedene Gewichtungen der Assetklassen durchzurechnen und so die Effizienzkurve nach Markowitz zu erhalten. Zum Beispiel von 100% Aktien-Gewichtung abgestuft über 70%, 50%, 30% bis 0% und gleichzeitiger Erhöhung der Gewichtung der Anleihen/des Cashs von 0% über 30%, 50%, 70% bis 100%. Die Bewertung des Rendite-Volatilitäts-Punkts des eigenen Portfolios ist so viel aussagekräftiger!

 

Als Illustration dafür füge ich ein 10-Jahres-Chart aus PP an. Während der grüne / schwarze Punkt das Ergebnis für 100% REXP / DAX Gewichtung über diesen Zeitraum anzeigen, sind die blauen Punkte verschiedene Mischverhältnisse beider Indizes (R30D70 = RexP 30%, DAX 70%, jährlich rebalanciert). Das (deutsche) Portfolio des Anlegers ist als roter Punkt eingezeichnet und war offensichtlich sehr erfolgreich, da es bei einer Volatilität von 38% eine Rendite von 200% erzielte. Das ist deutlich höher als ein ETF-Investor, der in etwa 60% DAX und 40% REXP gemischt hat, um eine ähnliche Schwankungsbreite zu haben. Eine Unterperformance des Portfolios würde man dementsprechend dadurch erkennen, dass der rote Punkt unterhalb der Effizienzlinie liegt, die sich durch Verbindung der Benchmark-Punkte ergibt.

 

10-Jahres-Rendite und Volatilität eines Gesamtportfolios im Vergleich zu verschiedenen Benchmark-Portfolios. Die Effizienzkurve nach Markowitz ist eine rechtsgeneigte Parabel und ergibt sich durch Verbindung der verschiedenen Mischungsverhältnisse.
10-Jahres-Rendite und Volatilität eines Gesamtportfolios im Vergleich zu verschiedenen Benchmark-Portfolios. Die Effizienzkurve nach Markowitz ist eine rechtsgeneigte Parabel und ergibt sich durch Verbindung der verschiedenen Mischungsverhältnisse.

 

Weiterhin kann das Programm die Rendite nicht nur als TTWROR (Total Time Weighted Rate of Return) ausgeben, sondern ebenfalls als IRR (Internal Rate of Return) und das entspricht den allseits bekannten Angaben einer Rendite p.a.. In Summe ist es damit möglich, die Performance und Schwankungsbreite für verschiedene Zeiträume des Portfolios und der Benchmark zu berechnen und in einer Tabelle festzuhalten.

 


LAST BUT NOT LEAST

 

Während Rendite und Volatiltät (alternativ: maximaler Verlust oder Drawdown) bekannte und akzeptierte Kennzahlen für Performance und Risiko sind, werden die Kennzahlen unter Punkt 3 und 4 meiner Liste viel zu selten beachtet.

 

Die Investoren beschäftigen sich zwar mit den Kosten der verwendeten Produkte, zum Beispiel den preisgünstigen ETFs und drücken diese Kosten soweit irgend möglich. Aber die Kosten des Portfolios hängen maßgeblich davon ab, wie die Bestandteile eingesetzt bzw. wie oft diese gehandelt werden.

 

Die gesamten Kosten zu berücksichtigen, ist dabei eigentlich ganz einfach. Direkt schlagen die Transaktions- und Depotkosten zu Buche, die ein Programm wie PP sofort bereithält und damit die Lücke schließt, die unsere Broker und Banken bewußt offen lassen, die an vielen Transaktionen verdienen. Hinzu kommen indirekte Kosten, die während der Haltedauer anfallen, zwar im Kurs des ETFs, Fonds oder Zertifikats enthalten sind, aber eben langfristig die Rendite schmälern. Man sollte sie kennen.

 

Für mein Gesamtportfolio, welches den Euro-Raum mit Einzelaktien und Anleihen abdeckt, belaufen sich die Transaktions- und Depotkosten auf durchschnittlich 0.04 Prozent meines Depotvolumens (Mittelwert für 2014/15/16). Für diese Werte fallen außerdem während der Haltedauer keine indirekten Kosten an.

 

Für die Abdeckung der restlichen Märkte besitze ich einige ETFs und Zertifikate, die im Mittel eine TER von 0.44 Prozent besitzen. Bezogen auf mein gesamtes Depotvolumen, kosten Sie jährlich ungefähr 0.04 Prozent, so dass meine Gesamtkostenquote im Jahr unter 0.1 Prozent bleibt. Und dabei soll es auch bleiben!

 

Den Portfolio Turnover (PTO) kann man mittels zweier Formeln berechnen. Entweder addiert man Käufe und Verkäufe zunächst und zieht den Nettomittelzufluss davon ab, bevor man diese Summe durch das Depotvolumen teilt. Oder man nutzt die in Wissenschaft und Finanzindustrie gebräuchlichere Formel und dividiert den kleineren Betrag von Käufen bzw. Verkäufen durch das Depotvolumen. Wurde netto neues Geld investiert, ist das Kaufvolumen natürlich höher als die Verkäufe. Da die Kennzahl aber nur die Umschichtung messen soll, bleiben diese neuen Investitionen außen vor und man kann direkt mit den Verkäufen rechnen.

 

Während aktive Fonds durchaus Turnover-Raten von 100 Prozent und mehr erreichen, liegt diese Rate bei mir im Mittel bei 12%. Als Ziel habe ich, dass ich nicht über 20 Prozent pro Jahr umschlage, es sei denn, konkrete Ereignisse wie 2008/09 erfordern ein Eingreifen. Das Monitoring des PTO ist eine gute Methode, um zuviel handeln zu vermeiden und ist equivalent zum Monitoring der Transaktionskosten. Da es aber zunehmend Aktionen gibt, die kostenlose Käufe und Verkäufe ermöglichen (gesponsert von Emittenten oder Brokern), sollte man die PTO-Rate im Auge behalten.

 

Im Übrigen: schaut man sich die PTO-Rate innerhalb verschiedener Indizes an, so erreicht diese 5 bis 10 Prozent (zum Beispiel durch Übernahmen oder Auswechseln von Index-Werten). Von einer passiven oder "buy & hold" Strategie spricht man je nach Quelle bei weniger als 5 Prozent Portfolio Turnover. Es gibt zahlreiche Studien die belegen, dass häufig umgeschlagene Portfolios noch nicht einmal die Rendite der zeitweise gehaltenen aktiven oder passiven Fonds erreichen, also deutlich schlechter abschneiden. Darum tut man sich einen großen Gefallen, diesen Wert zu berechnen und sich damit zu disziplinieren.

 

Was die Zahlen zu den Portfolio-Kosten und zum Turnover ebenfalls deutlich zeigen ist, dass die direkte Anlage in Aktien und Anleihen unschlagbar günstig sein kann. Es kommt nur auf die richtige Herangehensweise und Strategie an.

 

Last but not least sollte man stets den Überblick haben, wie hoch der Anteil der einzelnen Assetklassen im Depot ist. In der Regel schichte ich hier nur um, wenn die Ziel-Quote um 5 Prozent über- oder unterschritten wird. Ansonsten kann man einfach neues Geld so investieren, dass die zurückgebliebene Assetklasse wieder aufgefüllt wird. Diese Zahlen sind in PP direkt ablesbar und müssen nicht berechnet werden.

 


FAZIT

 

Kleiner Aufwand, große Wirkung. Berechnet man die gesamten Kosten des Portfolios und wie häufig man dieses umschlägt, wird man über die Zeit lernen, die richtigen Impulse zu setzen und besser, weil langfristiger zu investieren.

 

Wenn man schon auf die Rendite im Vergleich zu einer Benchmark schauen will, dann bitte gleichzeitig auch auf das eingegangene Risiko achten und das Gesamtportfolio heranziehen, also inklusive Cash und allen fremdkapitalartigen Anlagevehikeln (Anleihen, Zertifkate, P2P-Kredite,  Schuldverschreibungen etc.). 

 

Eine eigene, adequate Benchmark zu benutzen, war noch nie so einfach. Basierend auf Tagesschlusskursen von ETFs oder Indizes und einer bestimmten Gewichtung kann man ihren Wert berechnen und diese Daten in PP importieren. Alle weiteren Berechnungen und Vergleiche laufen dann im Programm automatisch ab.

 

Jede Minute Analyse, die man hierauf verwendet, zahlt sich langfristig aus: der Investor erhält das benötigte Feedback, um den Marathon sicherer und schneller zu bewältigen.

 

(c) 2017 Covacoro

 


WEITERLESEN


Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Der will Geld essen (Freitag, 09 Juni 2017 17:54)

    Danke für den guten Artikel. Worüber ich jetzt nachdenke: Der Vergleich zur Benchmark bietet sich ja auch im Vorfeld an. Du hast das Thema auch in deinem Artikel "Diversifikation 3.0" gestreift.

    Wie betreibst du Backtesting? Wie holst du dir quasi Feedback zu verschiedenen historischen Allokationen und legst dann deine eigene fest? Würde mich super interessieren, weil ich in diesem Jahr selbst meine langfristige Anlagenklassen-Verteilung festzurren möchte.

  • #2

    Covacoro (Freitag, 09 Juni 2017 21:12)

    Antwort: ich bin da sehr pragmatisch. Zwar wäre ein Backtesting mit der beschriebenen Methode möglich (also Indexdaten besorgen, Mix festlegen, Daten berechnen und dann darstellen), aber es gilt wie immer: Vergangenheitsrenditen sind keine absolut genaue Vorhersage für die Zukunft und gleiches gilt für das Risiko bzw. die Volatilität.

    Daher habe ich mir einfach die veröffentlichte Rendite/Risikodaten angeschaut, wie sie z.B. die Allianz in dieser PDF aufbereitet hat (Schaubild 3): https://de.allianzgi.com/de-DE/Maerkte-und-Themen/Themen-im-Fokus/Klug-investieren-Teil-2
    Mein simples Fazit: Rendite bzw. Risiko von Aktien Deutschland, Europa, USA und Welt sind sehr ähnlich (7% p.a. bzw. 20-25% p.a.), gleiches gilt für Renten Deutschland, Europa, Welt (im betrachteten Zeitraum 5% p.a bzw. 5-8% p.a.). Also optimiere ich mich hier nicht zu Tode, sondern fange einfach mal an. Ich muss im Wesentlichen darauf Wert legen, wie hoch mein Aktienanteil vs. Cash/Anleihen sein soll. Ich fahre mit 60/40 ganz gut, dass muss aber jeder für sich selbst entscheiden und testen. Mehr als die Zahlen zum (theoretischen) Risiko und zur Rendite erzieht der Blick ins Depot und die Befragung des Bauchs. Der Finanzwesir hat dazu geschrieben: Machen Sie doch eine Feuerübung mit ihrem Geld (https://www.finanzwesir.com/blog/maximaler-verlust-drawdown-depot) - das erscheint mir praktikabel. Schließlich kann man ja auch nachjustieren. Wer trotzdem Zahlen wissen will, wo er sich bewegen könnte, siehe Schaubild 4 der Allianz-PDF, wo für verschiedene Mischverhältnisse die Momentanaufnahme vorliegt.