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Rückspiegel 08/18

Ist es Zeit dem Markt den Rücken zu kehren? (Bild: Kirchentür, Quelle: pixabay.com)

Nach einem heißen Sommer reiben wir uns die Augen und stellen fest, dass die Börsen immer noch eine klare Richtung suchen, aber auch, dass das große Gewitter bisher ausblieb.

 

Während die Temperaturen erträglicher wurden und die Unternehmen überwiegend gute Zahlen berichteten, haben sich die makroökonomischen Konflikte weiter zugespitzt.

 

Neue Zölle im Wochenrhythmus, USA und China auf Konfrontationskurs und die krisenhaften Entwicklungen in der Türkei seien stellvertretend genannt. 

 

Die amerikanischen Indizes blieben davon nahezu unbeeindruckt, wenn man sich das langfristige Bild ansieht. Vielleicht ist es aber ein Warnzeichen, dass erfolgsverwöhnte Werte wie Facebook, Netflix oder Tesla zuletzt einen auf den (Kurs-)Deckel bekommen haben.

 

In Europa und Deutschland sind die Indizes dagegen am unteren Ende ihrer 52-Wochen-Range angekommen. Da sie ebenfalls unter der 200-Tage-Trendlinie notieren und diese gerade beginnt, sich abwärts zu orientieren, scheint Vorsicht geboten.

 

So erwarte ich, dass der kühlere Herbst an der Börse richtig heiß und ereignisreich wird.

 


Handelskrieg: Oder wie plötzlich alles Sinn ergibt

 

Börsianer, die bereits länger am Markt dabei sind, können sich sicher noch erinnern: 1997 ereilte uns die Asienkrise und der Bullenmarkt seit 1990 wurde heftig durchgeschüttelt. Auch damals konnten wenige antizipieren, dass sich das Problem von Thailand ausgehend auf die gesamten "asiatischen Tiger" ausbreiten würde.

 

Was sich der Tage in der Türkei abspielt, erinnert dabei am ehesten an Malaysia. Hier wie dort gab bzw. gibt es einen Regierungschef, der ökonomische Gesetze bekämpfen will und sich der Realität verweigert. Wie dies wahrscheinlich enden wird, kann man im oben verlinkten Wikipedia-Artikel nachlesen oder hier auf boerse.de inklusive Charts.

 


Index

SET (Thailand)

Korea Composite

KLSE (Malaysia)

Taiwan Weighted

Jakarta SE

Hang Seng

Nikkei-225 (Japan)

Zum Vergleich:

DAX 30

DOW JONES

 

Höchstkurs (Datum)

1412,61 (02.02.96)

842,28 (14.10.96)

1265,37 (26.02.97)

10116,84 (26.08.97)

742,09 (09.07.97)

16673,30 (07.08.97)

20679,00 (25.06.97)

 

6186,09 (20.07.98)

9338,00 (17.07.98)

 

Tiefstkurs (Datum)

207,65 (03.09.98)

280,00 (16.06.98)

286,20 (02.09.98)

5474,79 (05.02.99)

256,06 (22.09.98)

6660,42 (13.08.98)

12880,00 (09.10.98)

 

3861,89 (08.10.98)

7539,10 (31.08.98)

 

+/-

-85,30%

-66,76%

-77,38%

-45,88%

-65,49%

-60,05%

-37,67%

 

-37,57%

-19,26%

 

 

Tabelle: Kursverluste während der Asienkrise 1997/98, Quelle: boerse.de

 

 

Als Investor stellt man sich natürlich die Frage, ob "alles so heiß gegessen wird", wie die Verlautbarungen, Tweets und Auftritte der Politiker es nahelegen. Und macht das Vorgehen Trumps irgendeinen Sinn oder ist es von bloßem Narzissmus und Ahnungslosigkeit getragen?

Glücklicherweise erschienen dazu in den vergangen Tagen drei sehr gute Artikel.

 

Zunächst gelingt es Georg Wallwitz, das Verhalten Trumps durch einen historischen Kontext, die Pelepponnesischen Kriege, begreifbar und verständlich zu machen. Der Handelskrieg - vordergründig um ökonomische Interessen geführt - ist nichts anderes als Machtpolitik, von der Trump annimmt, dass sie ihm die Wiederwahl sichert.

 

Alkibiades in Washington (Georg Wallwitz)

 

Auf mittlere bis langfristige Sicht führt aber ein Handelskrieg vor allem dazu, dass es allen schlechter geht, wie Paul Krugman mit der folgenden Grafik verständlich macht:

Paul Krugman: Der Effekt von Zöllen auf Handelsvolumen und Preise
Paul Krugman: Der Effekt von Zöllen auf Handelsvolumen und Preise

 

Und Georg Wallwitz schließt mit dem Fazit, dass Machtpolitik im Stile Athens dazu führt, dass sich "eine spektakulär großartige Fehlentscheidung" an die nächste reiht, weshalb das "keine schlechte Perspektive für China" sei.

 

Ins gleiche Horn stößt der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz, der die Prognose wagt, dass das für die USA kein gutes Ende nehmen wird:

 

Trump hat den Handelskrieg gegen China fast schon verloren (Handelsblatt)

 

Seine Argumentation klingt nachvollziehbar, aber wie das bei Prognosen immer so ist, sie sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Daher fand ich den Artikel von Ivo Ruch als Relativierung wichtig, der sich mit fünf prominenten Vorhersagen beschäftigt.

 

Finanzprognosen, die immer noch nicht eingetroffen sind (Cash)

 

Egal ob hohe Bewertung der Aktienmärkte, Zinsen, Inflation, Dollar oder Immobilien: noch geht der Krug zum Brunnen...

 

 


Und Deutschland?

 

Da droht entweder das unsanfte Erwachen, wenn man Daniel Stelter und Hendrik Müller glauben möchte:
 

So ist es: Deutschland droht der Realitätsschock (beyond the obvious)

 

Oder eigentlich ist alles gar nicht so schlimm, wir sollten nicht so pessimistisch sein:

 

Cheer up Deutschland (The economist)

 

Na dann, kümmern wir uns doch besser darum, was wir selbst beeinflussen können:
Die Kosten und Diversifikation unserer Depots zum Beispiel.
Oder um Antifragilität (im Sinne Talebs) und Datenschutz.

 

Was Google alles über Sie weiß (bank blog)

 

Einen schönen Sommer wünscht,

Covacoro

 


Eine Bitte habe ich noch:

 

Geben Sie mir Ihre Stimme für den erstmals ausgelobten deutschen Value-Investing Blogpreis 2018. Dieser Link
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"Je planmäßiger Menschen vorgehen,
desto wirksamer trifft sie der Zufall.”

 

Friedrich Dürrenmatt

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Prof (Sonntag, 19 August 2018 22:09)

    Interessant ist, dass der Hang Seng seit Beginn der Handelsstreitigkeiten fällt. Der DAX fällt ebenfalls, obwohl Deutschland ja nicht mehr unmittelbar betroffen scheint. Der S&P zieht aber völlig unbeeindruckt nach oben.
    Zumindest die Indizes scheinen einen Sieger der Handelsstreitigkeiten ausgemacht zu haben.

  • #2

    Malte (Montag, 27 August 2018 14:25)

    Hallo Covacoro,

    meine Stimme für den Blogpreis hast du !!
    Finde dein Blog ist so ein wenig ein Mauerblümchen unter den vielen Blogs - sehr gut recherchiert und geschrieben und trotzdem (noch) nicht so bekannt...

    Wie ist deine Einschätzung zur Deutsche Euroshop? Siehst du diese langfristig weiterhin mit Potential? Sie ist ja in der letzten Zeit etwas unter die Räder gekommen, ich denke jedoch, dass die Fundamentaldaten recht gut aussehen und dies evtl. eine Chance zum Einstieg sein könnte.

    Wertschätzende Grüße
    Malte

  • #3

    Covacoro (Montag, 27 August 2018 19:13)

    Danke Malte, im Verborgenen blühen die wertvollsten Rosen ;-)